Die mechanische Bauhausbühne
 
Eiskalte Schönheit
Gibt es das: eine Neuheit, die bereits ihren sechzigsten Geburtstag hinter sich hat und noch immer auf ihre Premiere wartet? Die Erstaufführung der "Mechanischen Bauhausbühne" durch das Theater der Klänge im Juta ist ein solches Unternehmen. Laszlo Moholy Nagys "mechanische Exzentrik" und Kurt Schmidts "mechanisches Ballett" entstanden in den Zwanziger Jahren am Bauhaus in Weimar.
Die Utopie des Totaltheaters strebt das Musik- und Tanzensemble an. Farbe, Form, Musik und Bewegung vereinigen sich auf der Bühne, ohne daß noch Schauspieler präsent sein müßten. In Nagys "mechanischer Exzentrik" entstehen Bilder von eiskalter Schönheit. Zu Minimalmusik wird Pfeilen, Kreisen, Gerätschaften Leben eingehaucht. Diaprojektionen setzen irritierende Räume einer Automatenwelt, die menschliche Handlungen als seelenlose Zeichen wiedergibt. Avangardistisches Marionettentheater, dessen perfekte Darbietung auch ohne filmische Zitate ausgekommen wäre.
Die Figurinnen in Kurt Schmidts "mechanischem Ballett" heißen Windmühle oder Lokomotive. Die Tänzer, die hinter den Fabelwesen stecken, führen dennoch die alten Rituale der Annäherung, der Liebe, des Herrschens und des Buckelns auf. Handlung gibt es keine, man beschränkt sich darauf, erstarrte Gesten und oftmals formalisierte Körpersprache als leer und beliebig zu entlarven.
Am Ende steht ein geglücktes Experiment, das dem Theater, seine Grenzen wie in einem Spiegel vorhält. Das Aufzeigen typischer Haltungen und Begegnungen ist gleichwohl noch weit entfernt von der Bühnenkunst des ,.Armen Theaters", dem man sich nun zuwenden will.

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Harald Hordych
Westdeutsche Zeitung
 
 
Rotes Recheck im Rampenlicht
Zarte Xylophonklänge schweben im Raum.
Vorsichtig schiebt sich ein rotes Rechteck ins Rampenlicht. Ihm folgt ein Gelbes, wie ein Signal. Das Klavier mischt sich ein, gibt gemeinsam mit dem Schlagzeug Rhythmus und Ton an. Die Bratsche setzt Akzente, und jetzt tanzt sie in ihrer ganzen kompositorischen Schönheit: Die "Windmühle" aus farbenfrohen, abstrakten Holzelementen. .Endlich! Die Bauhaus-Bühne der Zwanziger Jahre ist zu neuem Leben erweckt!
Das frischgegründete "Theater der Klänge" hatte mit Kurt Schmidts "Mechanischem Ballett" und Laszlo Moholy-Nagys "Mechanischer Exzentrik" auf der Bühne des Jungen Theaters in der Altstadt (JuTa) Premiere: Witzig, spritzig, liebevoll rekonstruiert und perfekt choreographiert.
"Die bequemen Sehgewohnheiten galt es allerdings an der Garderobe abzugeben. Formen, Farben, Licht und Schatten, Bewegung und Töne – metallisch bis klassisch harmonisch – spielen hier die Hauptrolle. Raffiniert bauen die Musiker Spannung auf und ruckig, zuckig, auch zögernd bewegen sich Maschinenwesen und Lokomotive aufeinander zu, geführt von schwarz vermummten Tänzern.
Flächig und doch verblüffend plastisch - dank der am menschlichen Körper hintereinander geschichteten Farbplatten - setzten sich die Figuren zu immer neuen Bildern zusammen. Als hätte er den Breakdance der Achtziger schon vorweggenommen, bewegte sich der schwarz-weiß graue Bauhaus-"Tänzer". Für allgemeine Heiterkeit sorgte dagegen Kurt Schmidts "Kleiner" des mechanischen Balletts. Als einfachste Form flitzte er in Rot-Weiß mit schwarzen Ärmchen pfiffig über die Bühne. Hier hat die Mechanik rein künstlerische Funktion und fasziniert mit eigensinnigen Reizen für Auge und Ohr.
Mit einer kurzen aber köstlichen Einlage als menschliche Maschine weckte Conferencier JörgLensing (Leiter der-jungen Gruppe) Neugierde auf Laszlo ,Moholy-Nagys , "Mechanische Exzentrik"."Radikaler noch als Schmidt, versuchte er die Prinzipien des Bauhauses auf der Bühne umzusetzten , wollte gar ganz auf menschliche Mimen verzichten. Was sich dann,hinter dem Vorhang auftat, war ein abenteuerliches Kabinett der Überraschungen. Die geheimnisvollen schwarzen Tänzer wurden jetzt zu unsichtbaren Drahtziehern. Geometrische Formen wie Kreis, Dreieck und Rechteck schwebten herab, wuchsen aus dem Boden, pendelten hin und her. Und während sich schwedische Gardinen wie ein Raster vor verrückte Apparate schoben, flimmerte im Hintergrund auf einer Leinwand die "Dynamik der Großstadt" im hektischen Zeitraffer. )

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ULRIKE MERTEN
Neue Rhein Zeitung
 
 
Theater der Klänge
Es scheint das Verdienst der geschmähten kulturlosen 80er Jahre zu sein, das richtig wiederzuentdecken, was die braunen Barbaren 1933 im Keim erstickten. Die Kunst der Zwischenkriegszeit ist en vogue, allem voran die Ästhetik des Bauhauses. Fühlen wir uns ins Jena des Jahres 1923 zurückversetzt. Der Conferencier (Jörg Lensing) kündigt die Aufführung des "mechanischen Ballett" von Bauhäusler Kurt Schmidt an. Das "Theater der Klänge" hat sich mit Erfolg an die schwierige Aufgabe herangewagt. die "Mechanische Bauhausbühne" zu präsentieren: Kurt Schmidts Ballett sowie die "mechanische Exzentrik" von, Laszlo Moholy-Nagy aus dem Jahre 1924/25 auf die Bühne zu bringen. Letztere Produktion lag bisher nur als Entwurf vor (Inszenierung: Jörg Lensing). Intensive Recherchen, Besuche bei den "Nachfolgern" des Bauhauses in Weimar und Dessau; ja sogar ein Gespräch mit Kurt Schmidt selbst (der in Gera lebt) gingen der Premiere voraus. Es ist fast ein "historisches Verdienst" dieser Theatergruppe, heutigem Publikum die Ideen von damals (die den Zuschauern von 1923revolutionär' erscheinen mußten) als Erlebnis vorzustellen.
Eindrucksvoll ist vor allem die Musik (Hanno Spelsberg) zum "mechanischen Ballett". Hanno Spelsberg selbst (Klavier), Axel Heinrich (Schlagzeug) und Gesine Böllnitz (Bratsche) lassen die Aufführung auch zum akustischen Genuß werden. Die Besetzung der anderen Rollen - die Windmühle,. Das Maschinenwesen, die Lokomotive (Claudia Auerbach, Laura Wissing, Christina Numa), variiert durch den Tänzer (Tanja Nie)und einen "Kleinen" (Rainer Behr) - tut ein Übriges.
Die Musik vermischt Jazz-Elemente und volkstümliche Rhythmen der Zeit, immer auch unter dem Aspekt, daß ja eigentlich nicht Menschen auf der Bühne stehen, sondern Figurinen. Abstrakte Bilder werden lebendig, Farben und Formen verbinden sich zu den verschiedensten Eindrücken. Die Bewegungen sind maschinell, dabei auch witzig, fröhlich und platzend vor technischem Optimismus . Das"Mechanische Ballett" wurde "aus dem Gefühl geschaffen, daß technische Formen der vom Menschen geschaffenen zusätzlichen Organe schön sind wie die Naturformen"- so Kurt Schmidt 1961 in der Rückschau auf sein Werk, das er 22jährig schuf.
Viel weniger gefällig für Auge und Ohr, eher den Verstand ansprechend, ist die "mechanische Exzentrik" von. Laszlo Moholy-Nagy. Der Mensch, der hinter den Mechanismen Schmidts noch erahnt werden konnte, ist hier ganz verbannt. Die Bühne wird zum bewegten Bild, zur sich selbst zelebrierenden Technik. Da schweben phosphorisierende Pfeile und Balken durch das Bild, Jalousien geben Blicke frei und verschließen sich Wieder,einzig ein Clown mokiert sich über die Automatik. Das Menschliche ist auf "Menschmechanik" (Rainer Behr) reduziert.
Im Bild läuft ein Film: "Dynamik der Groß-Stadt", entstanden 1921 bis 1922 als Skizze. Dada und Futurismus treffen sich hier, doch einige Bilder der Massen von Soldaten, in Reih,und Glied aufgestellt, trüben den Optimismus. Der Zuschauer weiß ja leider, was danach kam.
Begeisterter Applaus für das Theater der Klänge.

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Andre Wittjohann
Rheinische Post
 
 
Streng gezirkelt
Idealismus und intelligente Eigeninitiative sind die Tugenden des jungen Düsseldorfer Ensembles "Theater der Klänge". Wenn dazu die überzeugende künstlerische Leistung kommt - wie beim Auftritt mit der nachgebauten mechanischen "Bauhausbühne" in der Musikhochschule - darf man von einer Idealkonstellation sprechen. Das Bauhaus. (1919-33), in dem Walter Gropius führende Vertreter von Kunst und Architektur sammelte, ist geistiger Drehpunkt der 16 jungen Theaterleute (Tänzer, Musiker, Bühnenbildner, Choreographen usw.).
Kurt Schmidt mit seinem ..Mechanischen Ballett" (1923) gehörte damals mit zu den ..Matadoren des roten Quadrats und des blauen Kreises", jenen Konstruktivisten für die geometrischen Formen schön sind wie Naturformen . Fünf Tänzer, deren Leiber hinter farbigen geometrischen Attrappen verborgen sind (die schweren Formflächen werden rechts seitlich durch Riemen an den Körper geschnallt), durchmessen in streng abgezirkelten Bewegungsabläufen den kastenartigen Bühnen-Rraum. Das Düsseldorfer Ensemble – Ihm lag nur ein Bild der Erstaufführung vor - hat sich die quasi mechanischen Bewegungsabläufe völlig neu (und großartig) erarbeitet und sie gehörig mit pantomimischem Witz durchsetzt. Da macht die "Windmühle" der ..Lokomotive" mit zahllos wiederholten Verbeugungen seine Honneurs. Da wirbelt ein "Kleiner" herum oder verschmelzen in inniger Umarmung zwei Figuren zu einem Ganzen. Die gar nicht mal so abstrakten Bewegungen sind fein ausgeführt, die Choreographie wirkt pfiffig. Die Musik (Klavier, Schlagzeug, Posaune), die als Teil dieses "Gesamtkunstwerkes" eine konstituierende Rolle spielt, stammt von Hanno SpeIsberg und erinnert mit ihren ostinaten Konstruktionen an Antheil und Honegger.
In der ..Mechanischen Exzentrik" (1924) von Laszlo Moholy- Nagy kommt die Musik (zum Beispiel Glockenklänge ) vom Band. Der Bühnenkasten verwandelt sich in eine Trickkiste, in der es vielerlei Arten von Bewegung gibt. Da schweben Pfeile und Balken umher, dreht sich, wie auf Zuruf der Musik, ein farbiges Rädchen oder schießt eine Sofortbildkamera ein blitzlichternes Foto und läuft ein Film ab. Eine Multimedia Show, ein abstraktes Bild von Bewegung? Den ..Drahtziehern" hinter der Bühne, dem Komponisten und Inszenator (für U. Lensing) und allen Mitwirkenden gebührt für ihren Einsatz und das stimmige Resultat ein Kompliment. Sie haben die Kulturlandschaft mit einem unverwechselbaren Farbtupfer bereichert.

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EB
Kölner Stadtanzeiger
 
 
Erst der Einsatz modernster Bühnentechnik machte in unseren Tagen eine Realisierung der komplizierten Partitur und damit die Düsseldorfer Premiere des "Theater der Klänge" möglich. Mag eine derart "technokratische Kunst" auch zunächst befremdlich und ungewohnt wirken, ihrer unmittelbaren Faszination kann man sich dennoch nur schwer entziehen. Dies ist nicht zuletzt ein Verdienst der jungen Theatermacher, deren Interpretationen nicht nur von einem beeindruckenden Perfektionsgrad, sondern auch von übergreifender Lebendigkeit und Spielfreude geprägt sind.

Der Treff (Weimar/DDR)
 
 
Eine musikalische Reise ins kalte Herz der Moderne
Von klarer Präzision dagegen die beiden Programme der "mechanischen Bauhausbühne". Sie erneuerten die Utopie des Bauhaus-Theaters aus den zwanziger Jahren, durch eine Mechanisierung der Bühnenhandlung, ein "Totaltheater" zu erreichen. "Das mechanische Ballett", entworfen von dem Schlemmer-Kollegen Kurt Schmidt mit einer Musik von H. H. Stuckenschmidt, geriet zu einer Symphonie abstrakter Formbilder. Entfernt an Menschen erinnernde farbige geometrische Figurationen illustrierten in ihrer perfekten Choreographie die Bauhaus-These, daß künstlich geschaffene Formen schön wie Naturformen sein können. Eine Steigerung erfuhr dieser Gedanke noch durch "Die mechanische Exzentrik", ein bisher Theorie gebliebenes Theaterprojekt des ehemaligen Bauhauslehrers Laszlo Moholy- Nagy. Erst in der Computerkultur unserer Tage sind die technischen Voraussetzungen gegeben, um die dynamische Konzentration von Form, Bewegung, Ton und Licht auf der Bühne zu realisieren. Heraus kam eine elektronische Hexenküche, in der die Geister, die man rief - alltägliche Dinge und Gebrauchsgegenstände , ein infernalisches Eigenleben zu führen begannen. Erst am Schluß erschien eine Tänzerfigur im mechanischen Geschehen: der Clown als lebendiges Gegenbeispiel der Abstraktion. Diese Aufführungen des in Düsseldorf frei arbeitenden "Theaters der Klänge" galten als historische Vergewisserung ihres eigenen Experimentieranspruchs.

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Peter Kemper
Frankfurter Allgemeine
 
 
Magische Bilderflut der Objekte
Der Hauptteil des Abends freilich entschädigte voll. Das junge Theater der Klänge aus Düsseldorf hat mit seiner ersten Produktion gleich den großen Coup gelandet. Seine. Bemühungen blieben nicht in der Absicht stecken, sondern gerieten zum Triumph von Phantasie, Könnerschaft und Präzision. Man hat gegraben und ist fündig geworden, hat sich Vergangenem gewidmet und damit beeindruckend Zeitgemäßes zu Tage gefördert. Auf dem Programm standen zwei Bauhausstücke, "Das mechanische Ballett" von Kurt Schmidt aus dem Jahre 1923 und "Die mechanische Exzentrik" von Laszlo Moholy-Nagy, entstanden nach Thesen zum Theater und Skizzen zum Filmprojekt "Dynamik der Groß-Stadt" aus der Zeit zwischen 1921und 1924. Beide Stücke leitet ein Conferencier ein, nach Art des Entertainers, wobei besonders sein zweiter Auftritt begeistert, ein gestisch reich untermaltes Lautgedicht, welches plastisch alle möglichen Bühnenaktionen erläutert.
Die Bauhausbühne wollte weg von der "Propaganda", wollte nicht mehr erzählen, sondern ein Theater der Formen, des Lichts, der Bewegung und des Klanges auf der kubischen Bühne. Die neuzeitliche Technik hatte mit den Bauhauskünstlern, inspiriert von den russischen Futuristen, bisweilen allerdings nur gedanklich die Bühne erobert. Mensch und Objekt sind austauschbar, kommt es doch nicht auf Ausdruck oder Gefühl an, sondern auf die reine Gestalt. Kurt Schmidt, 1901 geboren und heute in Gera lebend, band seinen Tänzern farbige Schablonen um, Balken und eckige Puzzleteile, ausfahrende Greifarme, gezackte Parallelogramme.
Langsam schieben sich Farbecke. Aus den schwarzen Bühnengassen, bis die ganze Figur sichtbar wird, wandelnde Skulpturen, die miteinander in Kommunikation treten, und zwar derart, daß man den Menschen hinter dem Objekt völlig vergißt. Die Objekte entwickeln ihr Eigenleben, suggerieren in ihren Verzahnungen und Fluchten, ihren Hüpftänzen und ausbalancierten Verschiebungen Gefühlsregungen wie Liebe, Haß, spielen Annäherung und Abweisung, Gleichgültigkeit und Anteilnahme. Es ist die Kombination von Farben der fünf verschiedenen mobilen Objekte, die unterschiedliche Stimmungen auslöst. Da sind drei Gestalten in "warmen" Farben, in Blau und Rot und Orange und Grün, da ist die "kalte" Grau-schwarz-weiße und ein niedlicher Zwerg in Weiß und Rosa. Die Musik von Hanno Spelsberg für Schlagzeug, Klavier und Posaune gibt ihnen charakteristische Motive und den Rhythmus kongenial vor: dennoch vor allem ein Fest fürs Auge.
Die Augen haben noch mehr zu tun bei Moholy-Nagys "Mechanischer Exzentrik", die niemals aufgeführt wurde und nun von Regisseur Jörg Lensing (er schrieb auch die sirrende, klopfende, explodierende Musik) und der Choreographin Malou Airodo (sie war einst Mitglied von Pina Bauschs Wuppertaler Tanztheater) sowie virtuosen Technikern und zwei hochkonzentrierten Darstellern neu erfunden wurde. Verschiedene Elemente sind in Schichtungen verknüpft. Über einem Rollo tanzen die farbigen Pfeile, hinter den halbgeöffneten Lamellen zischen technische Apparate, rotiert ein Lichtkreis; dahinter wiederum läuft auf einer Leinwand links oben eine Filmcollage ab: durch Stoffraster schieben sich bunte Balken; davor rollen, von unsichtbarer Hand gelenkt, Räder. Sind die Naben rot, blau oder gelb? Die wechselnde Beleuchtung zaubert Illusionen, zwei Kegelhälften tanzen einen Pas de deux.
Im unendlich variablen Spiel der Objekte irritiert allein der Film. Von Moholy- Nagy war er allein als photographisch-visuelles Element gedacht. In d.er Version der Düsseldorfer verführt er zur Interpretation. Gnadenlos rollen Bilder unserer Zivilisation ab, Bilder von Autobahnen, Bahnhöfen, Schlachthausszenen, Atomexplosionen. "Die mechanische Exzentrik" wird so als Apokalypse begriffen, obgleich doch das Hauptaugenmerk der steten Dynamik der, einzelnen Elemente und ihrer ,Beziehung zu Raum und Zeit gelten sollte. Dieses unfreiwillige, gewohnheitsmäßige Interpretieren hört freilich auf, wenn zwei Menschen ins Spiel kommen, ein Mann in Gestalt einer mechanischen Puppe, welcher recht aussichtslos gegen ein Rad kämpft, eine garconhafte Frau, welche stehend und liegend die Rotation von Maschinenteilen imitiert.
Diese beiden Menschen, sie haben in der "Mechanischen Exzentrik" tatsächlich keine andere Funktion als die Objekte. Technik und Mensch sind Ingredienzien einer magischen Bilderflut, die immer aufs neue Spannung erzeugt. Benommen taucht man schließlich aus diesem Sog bewegter Bilder wieder auf, aber auch reicher um das Erlebnis wundersam in Bewegung gesetzter Phantasien.

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Eva Elisabeth
Süddeutsche Zeitung
 
 
Die Seele der Maschine ist der Mensch
Haben Maschinen eine Seele? Wer das Gastspiel des Düsseldorfer Theaters der Klänge im neuen Theater gesehen hat, ist versucht zu sagen: Ja. Gezeigt wurden zwei Experimente, die in den zwanziger Jahren am Bauhaus entstanden sind. Wie die Architekten bemühten sich auch die "Theatermacher" am Bauhaus, Kunst und Technik in eine Einheit zu zwingen. Nur mit weniger Erfolg. Während "Das mechanische Ballett" von Kurt Schmidt 1923 wenigstens seine Uraufführung erlebte, blieb Moholy-Nagys 1924 entworfene Partiturskizze "Die mechanische Exzentrik" bis 1987 unrealisiert.
Daß die Stücke nicht gespielt wurden, hängt damit zusammen, daß die Bauhäusler sehr verkopfte Menschen waren. Sie konzipierten abstrakte Theater-Partituren, nach denen die Abläufe einer perfektionierten Bühnenmaschinerie zur eigentlichen Theaterhandlung werden sollten. Die Düsseldorfer hingegen sind ganz unkomplizierte Menschen. Sie haben die Sprache der Maschinen erlernt und ihnen dann einfach das Theaterspielen beigebracht.
Ein vorwitziges rotes Dreieck schiebt den schwarzen Bühnenvorhang für einige Zentimeter beiseite und lugt hervor. Dann verschwindet es wieder. Was das Dreieck sich traut, trauen andere sich auch: ein gelbes Quadrat, ein blaues Rechteck, ein grüner Kreis sie alle sind jedoch Teile eines Maschinenwesens. Fünf solcher Wesen, Figurinen genannt und von Kurt Schmidt für sein "mechanisches Ballett" eigens entwickelt, bevölkern bald die Bühne. Und wer genau hinschaut, merkt, daß es sich mit den Maschinen ganz genauso verhält wie mit den Menschen: Da gibt es Sympathien und Abneigungen, Streit und Versöhnung, Spiele und Tänze. Ja wirklich, die Maschinenwesen tanzen. Sie schwingen ihre geometrischen Glieder zu atonalen wie zu melodischen Klängen. Sie tanzen ein herrlich beschwingtes Ballett, an dem jeder Mechaniker seine helle Freude gehabt hätte.
Unheimlich geht es dagegen in Moholnys "mechanischer Exzentrik" zu: Pfeile schwirren durch die Luft - kreuz und quer über die Bühne. Hinter einem Lamellenvorhang liegen Geräte unbekannter Funktion. Plötzlich kommt Leben in die toten Dinger. Es blitzt und kracht. Und dann fällt von oben der Schatten eines mächtigen Gitters über die ganze Szenerie. Immer wieder schießen die Pfeile geschäftig hin und her. Sie weben an einem Gittermuster, das die Bühnenwelt verhängt. Diese Welt besteht plötzlich auch lauter Vierecken. In eines von ihnen werden in rasender Abfolge Filmschnipsel projeziert. Musik nimmt die Bedrohlichkeit der Maschinerie auf. Und sie zwingt eine Tänzerin, die wie zufällig in das Geschehen gerät, Teil der Mechanik zu werden. Und was die Bauhäusler einst ahnten, haben die Düsseldorfer endlich bewiesen: Daß der Mensch der Mechanik das Wesen des Theaters verleihen kann.

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nic
Mitteldeutsche Zeitung
 
 
Die Mechanische Bauhausbühne
Mit seinem Programm "Die Mechanische Bauhausbühne" brachte vom 7 bis 9 Oktober das vor einem Jahr
gegründete Düsseldorfer "Theater der Klänge" In der Aula des Dessauer Bauhauses zwei wesentliche im Weimar der 20er Jahre kreierten Bühnenwerke zur Aufführung:"Das mechanische Ballett" des in Gera lebendem und noch produktiv schaffenden Bauhausschüler Kurt Schmidt (geboren 1901) und "Die mechanische Exzentrik" des einstigen Bauhausmeisters Laszlo Moholy-Nagy (1895 bis 1946),Während das "Mechanische Ballett" am, 17, August 1923 anläßlich der Bauhauswoche eine öffentliche Uraufführung Stadttheater Jena zur Musik von Hans Heinz Stuckenschmidt (1901-1988) erlebte, blieb die "Mechanische Exzentrik" ein theoretisch-utopisches Theaterprojekt, Erst der Einsatz modernster Technik machte in unseren Tagen eine Realisation der komplizierten Partitur und damit die
Premiere durch das "Theater der Klänge" am 27 November 1987 in Düsseldorf möglich, Es handelt sich hierbei um ein "freies Musik- und Tanztheater'', dessen Mitglieder Komponisten, Musiker,Tänzer, Schauspieler und Künstler sind, Spiritus rector des jungen Ensembles ist der Komponist Jörg U, Lensing, Nach 25 Aufführungen des Programms in der BRD, Belgien und Österreich war es für die Theatermacher der bisherige Höhepunkt ihres Wirkens, mit der "Mechanischen Bauhausbühne" in Dessau zu gastieren.
Im traditionsreichen Bauhaus fand damit erstmalig seit 1932 eine derartige Theateraufführung statt! Im Juni1989 werden die Düsseldorfer auch in Weimar, Gera, Dresden und Berlin auftreten.
Im Vorfeld Ihrer Inszenierung haben Mitglieder des "Theaters der Klänge" bei Exkursionen nach Weimar, Gera ( vierstündiges Gespräch mit Kurt Schmidt, den sie auch dieser Tage wieder aufsuchten), Dessau und Westberlin (Bauhaus-Archiv) die Originalvorlagen minutiös rekonstruiert. Von Huttula Moholy-Nagy erhielten sie die Bearbeitungs- und Aufführungsrechte.
In ihrem Programm wird ein radikaler Ansatzpunkt der "Bühne am Bauhaus", deren konzeptionelles Anliegen 1925 von Oskar Schlemmer, Laszlo Moholy-Nagy und Farkas Molnar im vierten der "bauhausbücher" dargestellt wurde, zur Entfaltung gebracht, die nahezu vollständige Mechanisierung des Bühnengeschehens als eigenständige Theaterhandlung. Der Mensch, der bis dahin im Theater als "Träger logisch-kausaler Handlungen und lebendiger Denktätigkeit" fungierte, wird hier zum "Vermittler abstrakter Formbilder"
Kurt Schmidt, der von 1920 bis 1924 am Weimarer Bauhaus entscheidende Impulse von Itten , Feininger Kandinsky und Schlemmer empfing, hat 1923 aus eigenen Vorstellungen das "Mechanische Ballett" entwickelt, in dem abstrakte Formen auf der Bühne tänzerisch-pantomimisch ein eigenes Leben erhalten. Nur entfernt an Menschen erinnernde, mannshohe, farblich voneinander abgesetzte, geometrische Figurinen werden von verborgenen, schwarz gekleideten Akteuren so bewegt, daß durch die Choreographie fortwährend ein überaus lebendiges, der abstrakten Malerei gemäßes Bildgeschehen abläuft. Der menschliche Körper tritt dabei bewußt zurück "um einem bunten, reinen Formenspiel Platz zu machen" Die Flächigkeit der Figurinen läßt nur Seitwärtsbewegungen ihrer Träger zu und damit ein zweidimensionales, die Bühnenform des Guckkasten bedingendes Spiel. In den Fünfteiligen, etwa 40minütigen Ballett, das auch die Bezeichnung " Bühnenorganisation mit einfachen Formen" trägt, treten die Figurinen einzeln bis gemeinsam in einer auf Steigerung und Variation bedachten Reihenfolge auf, wobei es die Düsseldorfer nicht an humorvollen Pointierungen fehlen ließen. Ensemblemitglied Hanno Spelsberg hat dazu eine neue Begleitmusik ( Klavier, Schlagzeug, Posaune) geschaffen, die mit einfachen melodischen Floskel, Jazz-Elementen und maschinenhaften Rhythmen operiert.
Laszlo Moholy-Nagy, der von 1923 bis 1928 als Leiter des Vorkurses und Metallwerkstatt in Weimar und Dessau fungierte, entwickelte 1925 in seinem Artikel " Theater, Zirkus Variete" die Forderung einer "mechanischen Exzentrik als einer Aktionskonzentration der Bühne in Reinkultur". Seine"Mechanische Exzentrik" (1924-1925), so die Partiturskizze, ist eine "Synthese von Form,Bewegung, Ton (Musik), Licht (Farbe) und Geruch". Er nutzt dafür die dreidimensionale Bühne und mehrere Bühnenebenen. Da schweben Pfeile durch das Bild, Lamellen öffnen sich, Kreise rotieren, aus "Elektro-Apparaten" ertönen gewaltige Klänge, Jalousien geben Blicke frei und schließen sich wieder, Diapositive in verschiedenen Farben und der 1921/22 skizzierte und 1987 von Josef Schiefer erstellte Film "Dynamik der Großstadt" werden eingeblendet.Gegen Ende erscheint ein Clown und staunt über derlei automatische Handlungsabläufe, dem folgt eine hektische Tanzszene, in der das Menschliche auf "Menschenmechanik"reduziert ist. So befremdlich und ungewohnt dies auch wirken mag, der unmittelbaren Faszinationskraft des Bühnengeschehens kann man sich nur schwer entziehen. Dies ist ein Verdienst der Darsteller, deren Interpretationen von einem beeindruckenden Perfektionsgrad, übergreifender Spielfreude und Lebendigkeit geprägt waren.
Eine großartige Leistung.

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Michael von Hintzenstern
Thüriger Tageblatt
 
 
Konstruktivismus und Variete
Jubel erntete das Düsseldorfer "Theater der Klänge" zum Auftakt von "Dance '89", dem 2. Internationalen Tanzfestival in München. Es flogen keine putzigen Tütüs, es wurden keine Gliedmaßen expressiv geschleudert. Eine Art "kinetische Kunst" war im Carl-Qrff-Saal am Gasteig zu bestaunen. Diese "Bilder" haben die Größe einer Bühne, auf der sie die Bewegungsmöglichkeiten ihrer beliebigen Elemente auffächern können. Tänzer benötigen die "Bilder" höchstens noch als Maschinen, die dienend das "Gemälde", die "Collage", die "Plastik", die "Installation", das "Theater", den "Tanz" - wie man's auch immer nennen will - in Bewegung halten. Auf dieses Prinzip kann man die Titel "Das mechanische Ballett" und "Die mechanische Exzentrik" beziehen. Beide Spektakel sind nicht die Ideen g'spinnerter, junger Leute, sondern ehrwürdige Werke, rund 60 Jahre alt. Wie der Conferencier mit schmissiger Kreissäge (Jörg Lensing) vor der Vorstellung erzählt, präsentierte sich das Weimarer Bauhaus 1923 mit den Bauhauswochen der Öffentlichkeit. Auch auf der Bühne wurde damals einiges geboten - selbst wenn ein fürchterliches Organisations-Chaos herrschte: Ein junger Mann namens Kurt Schmidt (Jahrgang 1901) führte sein "mechanisches Ballett" auf. Rote, grüne, blaue, gelbe, orangene, graue und weiße Flächen aus unregelmäßig zusammengesetzten Rechtecken werden auf schwarz gewandete Tänzer (in der heutigen Rekonstruktion: Claudia Auerbach, Laura Wissing, Jacqueline Fischer, Tanja Nie, Kerstin Hörner) geschnallt.
Im zarten Morgenlicht (Lichtregie: Sascha Hardt) - die Musik klingt wie Weckerticken (Hanno SpeIsberg, Axel Heinrich, Peter Arnolds) - spitzen kleine rote und weiße Ecken aus der Bühnengasse heraus, bevor die Gesamt- Formen gravitätisch vor ihr Publikum treten. Die fünf Figuren haben zunächst. ihr Solo, dannach bilden sie Gruppen (Choreographie und Inszenierung Jörg Lensing). Es entstehen kinetische, konstruktivistische Kompositionen, aber auch Ausdrucksformen von Gefühlen und Wesenszügen. Bestimmte Bewegungen, wie Zittern, Schreiten, Umarmen oder Vorstoßen, werden von den Zuschauern sinnstiftend interpretiert - auch wenn die Bewegungsträger abstrakt, nicht- menschlich sind.
Im zweiten Teil des Abends wurden Laszlo Moholy-Nagys (1895-1946) nie aufgeführte Überlegungen zur "mechanischen Exzentrik" in die Tat umgesetzt. Es treten auf: Dias und Jalousien, bunte Pfeile und ein großes Gitter- Netz, Filme und Räder, Lichtfarben und Polaroid-Kamera, sogar Menschen (Axel Heinrich, Kerstin Hörner), die sich aber wie aufgezogenes Blechspielzeug geben.
Das "Theater der Klänge" kombiniert in der Nachfolge des Experimentators Moholy-Nagy edel ausgewogenen Konstruktivismus, abstraktes Marionettentheater mit Pfeilen und Reifen sowie buntscheckige Variete-Pantomime. Die kühne Spannung von völlig durchdachter Kunst - der Gittervorhang auf der Bühne erinnert an ein Mondrian-Gemälde -zu schlichtem Jahrmarkt-Klamauk hat sogar das aufgeschlossene Premierenpublikum irritiert. Freches ist eben auch mit 60 noch frech.

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Simone Dattenberger
Münchner Merkur
 
 
Da lacht das Bastlerherz
Würde nicht der Conferencier noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, daß es sich hier um zwei Bühnenereignisse aus dem Bauhaus der zwanziger Jahre handelt, so könnte man durchaus glauben, bei der "mechanischen Bauhausbühne" ginge es um eine schicke Demonstrationsveranstaltung eines hiesigen Heimwerkerbedarf-Großmarktes gleichen Namens. Im ersten Teil wird die Vielfalt der Laubsäge-Arbeit und der Lacke vorgeführt, die in phantasievollem Design zu einem mechanischen Kostüm gehören. Der Schönheit der Mechanik und der Verführungskraft der Geometrie allerdings nur halb vertrauend, entspinnt man zwischen den Figurinen von Maschinenwesen, Lokomotive und Tänzern eine durch aus menschliche Liebes- und Eifersuchtsgeschichte: dies wirkt wie eine dramaturgische Bemäntelung der sonst befürchteten Langeweile. Im zweiten Teil läuft das Spiel der auf- und niederschießenden Pfeile, rollenden Räder, schwingenden Keulen und auf blitzenden Lichter ferngesteuert und multimedial. Das Düsseldorfer "Theater der Klänge" rühmt sich, mit der Rekonstruktion von Kurt Schmidts Mechanischem Ballett und der Uraufführung der Mechanischen Exzentrik nach dramaturgischen Konzepten von Moholy-Nagy ein perfektes und spannendes "Gesamtkunstwerk" geschaffen zu haben, richtungsweisend für einen kreativen und emanzipatorischen Umgang mit der Technik. Sie sind enthusiastisch, heute verwirklichen zu können, wovon die Bauhäusler träumten. Dabei übersehen sie, daß die Geschichte dem Einsatz der Technik ein anderes Gesicht gegeben hat: deren Realität steht oft im Widerspruch zu den einstigen Utopien. Ihr zweckfreier, nur der Bildimagination dienender Gebrauch auf der Bühne verkommt zum verklärenden schönen Schein.

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Katrin Bettina Müller
Der Tagesspiegel
 
 
Wie von Geisterhand gesteuert
Im Bauhaus entwarfen fortschrittliche Meister und Studenten in den zwanziger Jahren nicht nur Architektur und Design, sondern Bauhauskünstler wie Oskar Schlemmer, Molnar und Laszlo Moholy-Nagy versuchten auch im Bereich der Bühne das Bauhaus-Prinzip der Einheit von Kunst und Technik durchzusetzen. Das Bühnenbild wurde in eine konstruktivistische Bühnenarchitektur umgewandelt, die Bewegungen der Schauspieler lösten sich in mechanisierten Gesten auf.
Mit dem Verbot des Bauhauses durch die Nationalsozialisten Im Jahre 1933 wurde die Diskussion um die kontroversen Bühnenkonzepte der Bauhauskünstler abrupt beendet. Die Bauhaus-Bühne geriet in Vergessenheit. Eine Renaissance erlebte sie nicht, wenn gleich, einige rekonstruiert wurden. An diese Rekonstruktionsarbeiten knüpft eine freie Theatergruppe aus Düsseldorf an. Seit mehr als einem Jahr setzt sich das "Theater der Klänge" mit der Theaterästhetik der zwanziger Jahre auseinander und stellt "Die mechanische Bauhausbühne" in den Mittelpunkt ihres Programms. Um die vollständige .Mechanisierung" des Bühnengeschehens. mit der damals wie heute die Vorstellung eines Gesamtkunstwerks verbunden ist, geht es in den beiden im Hebbel-Theater vorgestellten Stücken bekannter Bauhauskünstler.
"Das mechanische Ballett" von Kurt Schmidt entworfen und 1923 in Jena uraufgeführt, ist eine Komposition für fünf Tänzer, deren Körper hinter geometrischen Farbflächen verborgen bleiben. Formelemente in leuchtendem Rot, Gelb, Grün und Blau sowie verhaltenen Grau tönen sind an Körper, Armen, Beinen und sogar an den Köpfen der Künstler befestigt. Bewegen sie sich im Rhythmus der aus Jazz-Elementen bestehenden, teilweise an Fabrikgeräusche erinnernden Musik, so entstehen unendlich viele Formkombinationen. Technische Formen seien schön wie Naturformen, hat Kurt Schmidt das Gefühl beschrieben, aus dem heraus er dieses Tanzspektakel schuf.
Während die abstrakten Formenwesen von Kurt Schmidt sich immer nur in eine Richtung hin- und herbewegen, schuf Laszlo Moholy-Nagy mit seiner 1924/25 entstandenen .Mechanischen Exzentrik" eine ungleich kompliziertere Bühnen-Show, die bis zu ihrer Aufführung durch das Theater der Klänge im vergangenen Jahr lediglich als Entwurf existierte. Kreise und Pfeile schweben - wie von Geisterhand gesteuert - durch den Bühnenraum. Räder rollen über den Boden und wieder zurück. Jalousien werden geöffnet und geschlossen. Gittervorhänge heben und senken sich. Im Hintergrund läuft ein Film. Aus einem Rohr quillt Rauch und senkt sich auf die Köpfe des erstaunten Publikums.
"Aktionskonzentration der Bühne in Reinkultur" hat Moholy-Nagy diese Bühnenkomposition genannt, die ohne menschliches Dazutun funktioniert. Scheinbar: denn am Ende kommen sie auf die Bühne, die Drahtzieher, und nehmen den verdienten Beifall des Publikums in Empfang.

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Christa Piotrofski
Der Tagesspiegel
 
 
Käfertanz und Bauhausbühne
Wesentlich stärker auf die Kraft und ausdauernde. Wirkung des Vergangenen baut hingegen das Theater der Klänge, eine erst zwei Jahre alte Formation junger Tänzer, Schauspieler, Musiker und bilden der Künstler Ihre "Mechanische Bauhausbühne" setzte den fulminanten Schlußpunkt hinter das Mouson.Projekt. Im ersten Teil des – von einem "Conferencier" mit einem lautmalerischen Monolog annoncierten - Abends zeigte das insgesamt vierzehn Mitglieder starke Ensemble eine perfekte Rekonstruktion von Kurt Schmidts "Mechanischem Ballett" kreiert und aufgeführt zur Bauhausausstellung anno 1923. Nach diesem mal sachten, mal ausgelassenen Tanz der leuchtend-farbigen, Dreiecke, Kreise und Rauten (von dem sich im Jahr seiner Uraufführung nicht nur Paul Klee überschwenglich begeistert zeigte) schlug dann die Stunde der "Mechanischen Exzentrik". Laszlo Moholy-Nagy hatte sich dieses Spektakel aus Form, Farbe, Bewegung, Licht und Ton, welches die Mechanisierung des Bühnengeschehens als selbständige Theaterhandlung begreift, seinerzeit ausgedacht und 1925 in der Publikation "Die Bühne am Bauhaus" veröffentlicht, aber niemals realisiert. Das Theater der Klänge nahm sich nun Moholy-Nagys Entwurf an, griff seine Gedanken mit den Möglichkeiten der heutigen Technik auf und machte daraus ein frappierendes Multimedia-Ereignis, das viele jener Unternehmen, die heute unter diesem Etikett daherkommen, in den Schatten stellt.

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Rita Henss
Frankfurter Allgemeine Zeitung
 
 
Giganten aus dem Bauhaus
Ein rotes Parallelogramm erscheint, dann gelbe, blaue geometrische Formen, plötzlich unten ein Grün, dazu drummen, posaunen und spielen auf dem Klavier drei Musiker eine eigene Komposition. Die geometrischen Farbtafeln haben sich auf der Bühne inzwischen zu einer Phalanx von Pappkameraden komplettiert, laut Programmheft Windmühle, Maschinenwesen, Lokomotive, Tänzer und Kleiner. Sie sind Ausgeburten der Bauhaus-Utopie von einer mechanisierbaren Bühnenhandlung.
Das Düsseldorfer "Theater der Klänge" zeigte diese theaterarchäologischen Funde aus einer ahnungsvoll-aufgeregten Zeit im Ernst-Waldau-Theater: neben dem "Mechanischen Ballett" des inzwischen 87jährigen Kurt Schmidt die erstmals jetzt realisierte "Mechanische Exzentrik" von Laszlo Maholy-Nagy. Er war Meister an Walter Gropius' "Kathedrale des Sozialismus", dem Weimarer Bauhaus. Aber gehören solche konstruktivistischen Kunstwerke, die dank ganz versteckt mitwirkender Künstler das Laufen gelernt haben, überhaupt zu einer Woche des politischen Theaters? Für das "Mechanische Ballett" mag man es bejahen. Seiner aktuellen politisch-sozialen Wirkung hatten die ebenso intellektuellen wie präzisen Düsseldorfer geschickt nachgeholfen. Sie unterlegten den geometrisch durchgestylten Giganten in ihrer roboterhaften Typik psychologisch ablesbare Reaktionen wie Aggression und Defensive, Triumph und Unterwerfung, sogar Zuneigung und Scherzhaftes. Der Konstruktivismus zeigte plötzlich Seele.
Ein reines Laborkonstrukt dagegen die "Mechanische Exzentrik", die gleichwohl prächtig funktionierte und ästhetisch imponierte. Trotz modernen Filmmaterials und "mechanischer" Geräusche wie Sirenengeheul kein eigentlich politisch gerichtetes Experiment. Das findet allenfalls als Teamwork für diese interessante Begegnung von Kunst und Technologie hinter der Bühne statt.

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I.G.
Weser Kurier
 
 
Kühler Triumpf für die Geometrie
So ein Ballett: Auf der Bühne "tanzen" farbige geometrische Figuren einen abstrakt futuristischen Reigen. Etwa so, als betrachtete man im Museum ein konstruktivistisches Gemälde, dass ich in fortwährender Metamorphose befindet. Das ergibt einen Sinnenreiz, der den Zuschauer irritiert und 40 Minuten lang in Staunen versetzt, weil die Dinge, deren er sich rational vergewissert glaubte, sich nun verselbständigen und in Bewegung versetzen. Wir schwanken. Ist diese Schau ein grotesker Traum oder ein pfiffiges Experiment aus Klang, Rhythmus und Farbe? Markiert sie den Anbruch des finalen Roboterzeitalters oder bloß den einer konsequenten Moderne? Etwas von alldem, sicher, denn wir befinden uns zum Auftakt des Festivals "Theater in Bewegung" im hochartifiziellen, originalen Bauhaus- Kosmos. 80 Jahren nach Uraufführung in Jena kehrte das ..Mechanische Ballett" , ehedem von Kurt Schmidt kreiert, heim in die Saalestadt. An der Inszenierung (Jörg U. Lensing), mit der das "Theater der Klänge" aus Düsseldorf seit 1987 rund um den Globus tourt, hat noch Schmidt selbst mitgewirkt. Schon die Namen der Figurinen - zum Beispiel "Maschinenwesen", "Windmühle", "Lokomotive" – sprechen für eine kühle Dominanz des Technischen. Von Menschen hingegen ist auf der Bühne nichts zu sehen. Sie verbergen sich, ganz in Schwarz gewandet, hinter den farbigen Elementen, die sie an Armen, Beinen und am Körper festmontiert tragen, um ihnen die künstliche Lebendigkeit von Maschinenseelen zu verleihen. Das verlangt jedem der Tänzer höchste Disziplin ab in der absolut präzisen Ausführung - letztendlich – unnatürlicher Bewegungen. Das Düsseldorfer Ensemble beherrscht diese Kunst vollkommen. Vor dem Auge des Zuschauers entspinnt sich ein Prozess aus kaleidoskopartigen Variationen, dessen besondere Ästhetik aus immer wieder neuen Kombinationen geometrisch klar strukturierter Farbflächen resultiert. Eigentlich kann man solche Aktion sogar als bildkünstlerische Arbeit verstehen, so als sähe man einem großen Collagisten beim spielerischen Ausprobieren mit vorgefertigten Elementen zu. Tatsächlich jedoch liegt eine strenge Choreographie zugrunde, die sich an der tonmalerischen Vorgabe und Begleitung durch ein dreiköpfiges Jazz-Ensemble – Klavier, Schlagwerk, Posaune – orientiert. Aus atonaler Serialität entwickelt sich dabei erst allmählich sinnhaft musikalische Struktur, und als Rhythmus und Tempo an Schärfe zunehmen, gewinnt der beschleunigte Tanz auf der Bühne sogar eine komische Note. Diese Aufführung einmal gesehen zu haben, ist für jeden halbwegs kunst- und kulturhistorisch interessierten Menschen unvergesslich. Die Sehnsucht nach Wiederholung indes hält sich in Grenzen.

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Wolfgang Hirsch
TLZ
 
 
Akteure im Hintergrund
In der dem 70. Jahrestag der Gründung des Bauhauses in Weimar gewidmeten Ausstellung finden sich zwei Arbeiten des in Gera lebenden und noch produktiv wirkenden Bauhausschülers Kurt Schmidt (geboren 1901), der hier von 1920 bis 1924 studierte und von Johannes Itten, Wassily Kandinsky und Oskar Schlemmer gefördert wurde. Beide entstanden 1923 anläßlich der Bauhauswoche: "Konstruktives Holzrelief" ("im Sinne einer Form- und Farbenorgel mit bewegenden Farbklängen") und der "Entwurf zu einem mechanische Ballett". Dieses Werk - am 17 August 1923 in Jena Uraufgeführt stand vorige Woche zusammen mit Laszlo Moholy-Nagys "Mechanischer Exzentrik" (1924/1925) auf dem Programm des Düsseldorfer "Theaters der Klänge" das unter der Überschrift "Die mechanische Bauhaus- Bühne" im deutschen Nationaltheater Weimar gastiert.
Kurt Schmidt behandelt in seinem "Mechanischen,Ballett", das 1938 in der Leipziger Austellung"Entartete Kunst" gezeigt wurde die Schichtung zweidimensionaler "Räume" durch bewegte, abstrakte Bilder. Farblich von einander abgesetzte geometrische Figurinen werden dabei von dahinter verborgenen Akteuren so bewegt, daß durch die Choreographie fortwährend ein überaus lebendiges, der abstrakten Malerei gemäßes Bildgeschehen abläuft. In dem fünfteiligen. knapp 40minütigen Werk treten die Figurinen einzeln bis gemeinsam in einer auf Steigerung und Variation bedachten Reihenfolge auf, wobei sich die phantasievoll gestalteten "Geschöpfe" 'kontrastierend gegenüberstehen: ein auf der rechten Bühnenseite postiertes "Maschinenwesen", dessen Gegenfigur auf der linken "Bühnenseite" durch "zwei weit ausladende Flügelformen Windmühlencharakter " hat. Zu diesen beiden kommt "als harmonischer Punkt und Gleichgewicht" eine "Lokomotive" genannte Mittelfigur, die sich ebenfalls maschinenhaft gebärdet. Eine aus Rechtsformen zusammengesetzte schwarz-weiß-graue Figur (Entwurf: Georg Teltscher) ist – zu Jazzklängen - ganz auf das Tänzerische eingestellt. "Als Kontrast und zur Belebung", so Kurt Schmidt, kommt eine ,,'Miniaturfigur" hinzu die "Kopf- und-Beinformen an einer rechteckigen Fläche trägt".
Einfache melodische Keimzellen, Jazzelemente und maschinenhafte Rhythmen prägen die neu gestaltete Begleitmusik von Hanno Spelsberg, die vom Komponisten am Klavier sowie von Olaf Normann (Schlagzeug) und Peter Arnolds (Posaune) dargeboten wurde. Hinter den Figurinen verbargen sich: Claudia Auerbach, Laura Wissing, Jaqueline Fischer, Tanja Nie und Rainer Behr. Werk und Wiedergabe wurde mit Lang anhaltendem Beifall und enthusiastischen Bravo-Rufen bedacht Schade, daß der Geraer Künstler die Reise nach Weimar aus gesundheitlichen Gründen nicht antreten konnte. Da hätten wir ihm endlich zeigen können, was wir ihm lange schuldig geblieben sind . .. Nach den vorbildlichen Präsentationen der Werke von Max Bill, Xanti Schawinsky und der Arbeiten von Mies van der Rohe ist es an der Zeit, sich auf einen großen Künstler aus unserer Mitte zu besinnen!
"Kunst und Technik- eine neue Einheit."Diese von Walter Gropius formulierte Losung könnte das Motto von Laszlo Moholy-Nagys "Mechanischer Exzentrik" sein, die 1987 vom "Theater der Klänge" zum ersten Mal - mit Genehmigung von Huttula Moholy-Nagy - nach einer Partiturskizze (veröffentlicht im vierten der "bauhausbücher") realisiert wurde Mit dieser "Aktionskonzentration der Bühne in Reinkultur" strebte er eine "Synthese von Form, Bewegung, Ton (Musik),Licht (Farbe) und Geruch" an, um aus der Wechselwirkung ,all dieser Elemente etwas Neues entstehen zu lassen. Das Projekt weist Moholy-Nagy als einen großen Visionär moderner Kunst aus. Der viele Vorstellungen in seine Arbeit einbrachte, die erst in unserer Zeit adäquat umgesetzt werden können. Dabei will es scheinen, daß sein kreativer Fortschrittsglaube auch von Skepsis durchsetzt war, wenn z.B. das Menschliche auf "Menschenmechanik" reduziert wird. Getragen und kontrapunktiert werden all diese Abläufe von einer z. T. recht monoton wirkenden, synthetisch erzeugten Musik, die Jörg U. Lensing – damit getreu den Intentionen der Vorlage folgend – schuf. Auch hier: brausender Applaus für eine großartige, bis in letzte Details genau durchdachte Inszenierung. Im Herbst soll das "Theater der Klänge" noch einmal in die DDR kommen. Auf dem Reiseplan stehen dann Berlin und Dresden sowie Gera.

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Michael von Hintzenstern
TLZ
 
 
Das verblüfte Auge
Kurt Schmidts "Das mechanische Ballett" wurde im Jahre 1923 uraufgeführt und war seither verschollen, Laszlo Moholy-Nagys "Die mechanische Exzentrik" geriet zur gleichen Zeit nur bis zum Entwurf. Das "Theater der Klänge" (in ihm vor allem Jörg Lensing) hat diese beiden wichtigen, aber fast ohne Einfluß gebliebenen Werke der Bauhausära mit Akribie nach sehr lükkenhaften Unterlagen rekonstruiert und vor drei Jahren mit ihrer Wieder- und Uraufführung Furore gemacht. Das Gastspiel der jungen Düsseldorfer Truppe im Theaterhaus füllte endlich eine zwar kleine, aber deutliche Lücke im Stuttgarter Ballettleben.
Kurt Schmidt, der beim Bauhaus in Weimar für die Wandmalerei zuständig war, wurde vor allem durch die Arbeiten des Stuttgarter Oskar Schlemmer zu seinem Formenballett inspiriert. Er lebt jetzt in Gera und ist mit der Rekonstruktion sehr einverstanden. Das mechanische Ballett ist ein fortwährendes Verblüffen des Publikums. Tänzer haben seitlich an ihren Körpern und vor allem an ihren Gliedmaßen große Farbflächen unterschiedlicher Formen befestigt, die sie völlig verdecken. Wenn sie sich über die kleine schwarze Bühne bewegen, machen sie den Eindruck, als seien sie zweidimensionale künstliche Geschöpfe und schwebten frei im Raum.
Lensing hat Schmidts Figuren fast individuelle Charaktere gegeben, denen sie sich mit feinem Humor widmen. Man vermeint Kämpfe, Scheu, Dreistigkeit, Schäkern, sogar Liebe zwischen ihnen zu erkennen. Erstaunt registriert man, wie man diese absonderlich sich verhaltenden, übergroßen Technikwesen etwa "süß" oder ,,frech" findet. Hanno Spelsbergs für dieses Werk komponierte Musik für Klavier, Schlagzeug und Posaune folgt dem Geschehen auf der Bühne wie einen Stummfilm. Sie ist witzig und unauffällig zugleich.
Moholy-Nagy ging in seinen revolutionären Ansichten viel weiter. Er wollte das ganze Bühnengeschehen mechanisiert sehen. So wird seine Aufführung von ferngesteuerten Magnesium-Blitzen, rotierenden Scheiben und Stroboskoplicht beherrscht, Filme (als stammten sie aus den Papierkörben eines Schneideraumes) werden projiziert, ein überdimensionaler Griff schwebt umher, teilt sich, und seine Hälften finden nie mehr zueinander. Während, eine Jalouisie sich hebt, ein riesiges Quadratenetz sich senkt, schweben feile, von unsichtbaren Drähten getragen, in alle . Richtungen, zischen zu Lensings Synthesizer-Gewittermusik wie Haie quer über die Bühne.
Das Auge ist fortwährend beschäftigt. Kommt dieses ständige Gewusel scheinbar zur Ruhe, fragt man sich mißtrauisch: Geschieht gerade wirklich nichts? Es geschieht immer etwas. Sehr beeindruckend das Ende: Ein Clown hebelt mit einem Stab ein Rad von der Bühne, ohne es zu berühren. Axel Heinrich tanzt diesen Clown in der Manier des Daumenkinos und gibt ihm damit eine bezaubernd unwirkliche Aura. Aber er ist gleichzeitig der erbarmungslose Anwalt des Menschentheaters. Der Clown zeigt, warum mechanische Ballette und mechanische Exzentriken bewunderte, aber folgenlose Seitentriebe der Bühnenkunst blieben.

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Bernd Krause
Stuttgarter Zeitung
 
 
Der Künstler als Kunst-Stück
"Wir sind,wir wollen,wir schaffen''', verkündete der Conferencier Jörg U. Lensing, das Programm des Düsseldorfer Theaters der Klänge, das an den vergangenen beiden Abenden in Halle gastierte. In der Eröffnung warf er den Blick zurück auf das Stadttheater Jena von1923und den ersten Auftritt der Bauhaus-Bühne, deutete aber zugleich an, daß man dem Publikum im Saal des nt kein Bauhaus-Revival zu bieten gedenke.
Die seit fünf Jahren in Düsseldorf aktive freie Gruppe zeigte zwei Inszenierungen aus dem Repertoire ihrer Auseinandersetzungen mit der Arbeit der in den 20er Jahren in Dessau und Weimar existierenden Bühnenwerkstatt.
Im ersten Teil des Abends rekonstruierten die zehn Mitglieder in einer Neuchoreographie das "Mechanische Balett" (1923) des Bauhaus-Schülers Kurt Schmidt. In einer avantgardistischen Performance bewegen sich aus farbigen geometrischen Formen zusammengesetzte Figurinen, die durch ihre vorgetäuschte Zweidimensionalität beim Zuschauer den Eindruck erwecken, ein abstraktes Bild zu betrachten, dessen collagierte Teile beweglich sind.
Entscheidend für solche Aktionskunst, in der der Künstler selbst als Kunst-Stück auftritt, ist ihr interdisziplinärer Charakter. Traditionelle Grenzen zwischen bildender und darstellender Kunst sowie Musik sind aufgehoben. wenn die an die Tänzer montierten Bildteile zu den Klängen des dreiköpfigen Orchesters ein Eigenleben entwickeln.
Optische Verfremdung ist dabei die Bedingung für die Assoziationen des Zuschauers. Vergegenständlichtes wird vom Betrachter wieder abstrahiert. Menschenähnlich stilisierte Windmühle. Maschinenwesen und Lokomotive werden zusätzlich durch Einzelklänge oder Jazzrhythmen charakterisiert, machen aber ihrerseits menschliche Verhaltensweisen in ihren Grundstrukturen sichtbar. Annäherung,Vereinigung,Trennung werden ebenso plakativ wie die Aggressivität des" Tänzers" und die Hilflosigkeitdes "Kleinen". Die Lust des Publikums am Spielerischen war auf jeden Fall gefragt.
Der zweite Teil der "Mechanischen Bauhaus-Bühne" beanspruchte dagegen stärker die Konzentrationsfähigkeit. Nach einer Partiturskizze des ungarischen Formmeisters Laszlo Moholy-Nagy von 1924/25 erarbeitete die Theatergruppe eine
szenische Interpretation mit dem Titel "Die mechanische Exzentrik". Diese präsentiert sich ebenfalls multimedial, hier allerdings dreidimensional.
Ins Geschehen werden Film,Bühne und diverse leblose Gegenstände (Gitterraster. Räder, farbige Pfeile) einbezogen. Die zusammen mit Lichtspielen, Rauchspucker, elektrischen Entladungen ein Eigenleben entwickeln. Eine melancholische clownesque Figur bleibt ebenso isoliert, wie die "Menschmechanik", bei deren tänzerisch-pantomimischem Auftritt die Objekte wieder zur Leblosigkeit erstarren. Typisch für dieses Experiment ist das Bemühen, auf neuen Wegen zur Verständigung mit dem Kunst-Rezipienten zu gelangen. Das von den Düsseldorfern selbst initiierte Gastspiel am nt war in jedem Fall eine Bereicherung für die von der Teilung in Sprech-. Musik und Tanztheater dominierte hallesche Theaterlandschaft.

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E. Finger
Hallesches Tageblatt
 
 
Bilder stehen im Raum
Im Künstlerhaus Moussonturm in der Waldschmidtstraße in Frankfurt gastierte dieser Tage das "Theater der Klänge". An drei Abenden sorgte das vierzehnköpfige Ensemble aus Düsseldorf mit seiner "Mechanischen Bauhausbühne" für ein ausverkauftes Haus. Die von den Nationalsozialisten vor über 50 Jahren geschlossene Kunstschule "Bauhaus" ist vor allem durch die dort unterrichtenden Maler und die Entwicklung von sachlich funktionalem Design bekannt.
Die Vielseitigkeit der Bauhausmeister brachte aber auch eine nicht minder bemerkenswerte experimentelle Theaterarbeit hervor. Allen voran der Maler und Plastiker Oskar Schlemmer, der avantgardistische Ballette schuf und ein gefragter Bühnenbildner seiner Zeit war, unter anderem für Opern von Paul Hindemith. Ein Umstand, der die Kulturgesellschaft Frankfurt veranlaßte, in diesem Jahr erstmalig einen nach Schlemmer benannten Preis für Bühnenentwürfe auszuschreiben.
Eine zentrale Rolle für das Theater am Bauhaus spielte die Auseinandersetzung mit Farbe, Fläche, Raum und Bewegung; Theater als eine spezifische Fortsetzung von Themen der Malerei. So auch in dem jetzt im Moussonturm gezeigten "Mechanischen Ballett" von Kurt Schmidt. Fünf Figurinen treten auf. Die Akteure verbergen sich hinter Konstruktionen aus geometrischen Flächen die entweder in den Primärfarben und deren Komplementärfarben bemalt sind, oder aus hell-dunkel Kontrasten bestehen.
Die Anordnung der beweglichen Flächen gibt den einzelnen Figuren.ihre Bewegungsweise vor, es entwickelt sich ein charakteristischer Ausdruck. Einen anderen Ansatz wählte der Konstruktivist Laszlo Moholy Nagy. Die freischwebende Bewegung von Flächen im Raum, die gestalterischen und verfremdenden Möglichkeiten von Licht und ihrer eigentlichen Funktion enthobene Alltagsgegenstände sind das Inventar des Bühnenprojektes "Die mechanische Exzentrik". Dazu wird ein experimenteller Film als Gestaltungsteil in das Bühnengeschehen mit aufgenommen. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Kompositiona von Farben und Bewegung, die verblüffenderweise flächige Bilder im Raum entstehen läßt.

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yo
Hanauer Anzeiger
 
 
Technisierung
Das Bauhaus hat Konjunktur. In der Kunst, im Design, in der, Architektur und eben auch im
Theater. Das Theater der Klänge aus Düsseldorf hat in seiner Inszenierung zweier Bauhaus-Ballette in dieser Richtung Akzente gesetzt. Mit großem Aufwand präsentieren die fünfzehn Beteiligten unter der Inszenierung von Jörg Lensing (Neue Töne) ein technisch perfektes, abendfüllendes Programm. DAS MECHANISCHE BALLETT von Kurt Schmidt bedient sich noch des Menschen auf der Bühne, mechanisiert ihn jedoch total. Verkleidet durch kubische, farbige Flächen lassen die Darsteller nur den Eindruck des entmenschlichten, des technischen Theaters entstehen.Windmühle, Maschinenwesen, Tänzer, Kleiner nennen sich einige dieser Figuren, die zu expressionistischen, teils jazzigen Klängen, seelenlose Tänze vollführen, bei denen es immer nur um Form, nie um Inhalte geht.
DIE MECHANISCHE EXZENTRIK von Laszlo Moholy-Nagy ist dagegen fast ausschließlich technischer Art. Formen und Figuren tanzen an Drähten über die Bühne, ein Lamellenrollo öffnet und schließt sich, Videocollagen flimmern (zu lange) über einen großen Bildschirm, ob und zu macht eine Polaroid-Kamera, die auf einem Tisch aufgebaut ist, ein Foto vom Publikum. Schließlich doch ein Mensch, ein Clown (Axel Heinrich): Er vollzieht eine langweilige, in diesem Zusammenhang fremdartige, Clownerie. Dann greift die klassische Ästhetik des Tanzes noch ihrem Recht: Rainer Behr, im Programmheft als "Menschmechanik" bezeichnet, windet sich in dionysischem Tanz. Ende.
Eine zweifellos interessante Aufführung, wenngleich der tiefere Sinn des Bauhaus-Prozesses der Technisierung herkömmlicher Ballett-Formen weitgehend verschlossen bleibt. Das mag auch daran liegen, daß es einen tieferen Sinn, über die ästhetische Auseinanersetzung hinaus, nicht gibt.

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Düsseldorfer Illustrierte
 
 
Bewegte Bauhausbilder
Der zeitgenössische Künstler ist dem Geschmack des allgemeinen Publikums in der Regel um etwa 100 Jahre voraus, bemerkte der englische Filmregisseur Peter Greenaway einmal in einem Interview. In der Tat, während die (gegenständliche) Malerei heute allenthalben durch Performances, Videoarbeiten oder Installationen in Frage gestellt wird, sind im privaten Wohnzimmer die Grenzen des Zumutbaren schon bei den Landschaftbildern der französischen Impressionisten erreicht. Oder wenn, wie jüngst in der Berliner Philharmonie, ein für jede Tonlage offenes Orchester wie die Junge Deutsche Philharmonie das Publikum mit der Wiener Moderne, mit Alban Berg und Anton Webern, behelligt und ihm obendrein eine ironisch gebrochene, zwischen romantischem Pathos und Karneval schlingernde Schumann-Bearbeitung des Dirigenten Hans Zender vorsetzt, bleiben selbst in der mit ihrer kulturellen Weitläufigkeit prahlenden Hauptstadt die Ränge leer.
Insofern kann man den Initiatoren des Luckenwalder Theaterfestes nur zu dem mutigen Stück gratulieren, mit dem aus Düsseldorf angereisten Theater der Klänge ein Ensemble auf die städtische Bühne geholt zu haben, dessen Arbeit sich weniger an Quoten als an ästhetischen Maximen orientiert, die auch die vorbildlich restaurierte Architektur jenes Gebäudes prägen, in dem es nun zwei seiner Choreographien vorstellte - am Reglement der Bauhausschule. Das "mechanische Ballett", das die Compagnie, von Klavier, Posaunen und Schlagzeug angetrieben, zunächst präsentierte, geht auf eine Arbeit des Bauhäuslers Kurt Schmidt zurück. Die Tänzer verschwinden hinter abstrakten, farbigen Paneelen, die so am Körper befestigt sind, daß sie einzeln bewegt werden können. Bis zu fünf Figuren ziehen im Rhythmus der Musik ihre Bahnen, bald kantig-bizarr, bald geschmeidig-gleitend. Manchmal meint man, die Konturen, die Bewegungssprache eines Vogels oder eines Menschenpaares zu erkennen, einen zärtlichen Pas de deux, einen aufgekratzten Pas de trois. Doch es gibt keine Handlung, die diese reliefartigen Mobiles beseelen würde. Es ist ein Spiel der Grund- und Nichtfarben - Rot, Gelb, Blau,"Schwarz,Weiß-und ihrer Mischungen.Ein Konzert der Grundformen – Quadrat, Kreis,Dreieck – und ihrer Kombinationen. Schmidts aus den 20er Jahren stammende,vom Theater der Klänge penibel rekonstruierte und effektvoll-brillant wieder auf die Bühne gebrachte Ballettstudie läßt sich wohl am ehesten verstehen, wenn man sie als Fortführung der abstrakten. Malerei im dreidimensionalen Raum versteht. Kein Plot,keine Ballerina, nicht einmal bekannte Melodien das war für viele auf gepflegte Unterhaltung abonnierte Zuschauer denn doch zuviel des Guten. Als die zehnköpfige Gruppe vom Rhein nach der Pause ihre aus Texten, Lichtprojektionen, Soundcollagen und Tanz montierten Variationen zu Oskar Schlemmer zeigte, hatten sich die ohnehin mäßig besetzten Reihen noch einmal deutlich gelichtet. Das längst verloren geglaubte Verstörungspotential, das einst vom Bauhaus ausging, ist wie sonst soll man die Reaktion des Publikums in Luckenwalde erklären hier und da noch immer wirksam. Wo die Vertrautheit mit den Kunstläufen unserer Zeit fehlt, bleibt der Verständnishorizont zwangsläufig limitiert.

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Albrecht Thiemann
Märkische Allgemeine
 
 
Spannend, teils chaotisch
Der postmodernen schnörkel überdrüssig, sehnt sich mancher nach klaren Linien wie im Bauhaus, wo Wesentliches sich in funktionaler Gestaltung offenbarte. Formales Design sollte soziale Reformen und Integration
aller Kunstgattungen widerspiegeln. Dabei spielt Tanz eine große Rolle, etwa bei Oskar Schlemmers "Triadischem Ballett", von Gerhard Bohner anfangs der siebziger Jahre liebevoll rekonstruiert.
Zum Abschluß eines Tanztheater-Projekts im Mousonturm zeigt das Düsseldorfer "Theater der Klänge" jetzt zwei symptomatische Tanzstücke der Bauhausausstellung von 1923 in Weimar. "Das mechanische Ballett" kopiert eine Schöpfung von Kurt Schmidt, während "Die mechanische Exzentrik" den nur im Manuskript vorliegenden Entwurf des Malers und Bildhauers Laszlo Moholy- Nagy modernisiert verwirklicht. Beim mechanischen Ballett untermalt Hanno Spelsberg mit Rhythmen für Klavier, Schlagzeug und Blasinstrumente die nachgebaute Choreographie von Jörg U. Lensing. In einer Blackbox heben sich die bunten Tanzfiguren plastisch ab. Jede setzt sich aus Quadern, Rauten oder Kreisausschnitten zusammen wie Objekte aus dem Legobaukasten. Eine vermenschelte Lokomotive etwa rollt auf stangengetriebenen Rädern. Blätter einer Windmühle kreiseln wie Arme bei schneller Gymnastik. Aus gezackten Rechtecken entsteht ein Tänzer, der bizarr-komisch durch die Gegend wippt. Wie ein kleines Dickerchen tickt die Uhr. Leben erhalten die skurrilen Gebilde durch Tempowechsel ihrer Motorik oder emotionale Regungen, wenn sich Lok und Mühle zärtlich umarmen. Die Szenen pendeln zwischen rührender Melancholie und pfiffigem Witz.
Chaotischer gibt sich das andere Werk des Abends. Bei der von einem großen Kollektiv neu erarbeiteten "mechanischen Exzentrik" wird der Titel allzu wörtlich genommen. Diverse Ebenen sind ineinander geschachtelt, von Jalousien oder Gittern nach Bedarf abgegrenzt. Wie im physikalischen Kabinett tuckern phantastische Maschinen. Dazwischen tanzen Pantomimen in Zeitlupe. Im Hintergrund pulsiert großstädtischer Verkehr der Gegenwart auf einer Videowand. Chaos breitet sich aus und verweigert dem zuschauenden Auge. Fixierpunkte. Eine gestrafftere Form der Realisierung von Moholy-Nagys Ideen ohne aktualisierten Schnickschnack würde intensivere Wirkung erzielen.
Immerhin gibt dieses Gastspiel ein Bild von dem kreativen Spektrum vieler Bauhauskünstler. So endet das spannende Tanzfestival mit historisierendem Blick auf ein bedeutendes Kapitel unserer Kultur.

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Roland Langer
Frankfurter Rundschau
 
 
Der Mensch als wandelndes Puzzle
In den zwanziger Jahren war die Bauhausbühne in Weimar eine der führenden künstlerischen Werkstätten für Theater-Ästhetik."Das Düsseldorfer Ensemble "Theater derKlänge" beatmete in einer Bühnencollage aus Formen, Farben, Bewegung, Film und Licht die alten Ideen zu zwei lebendigen Vorstellungen. Die Besucher im
Linzer Brucknerhaus erlebten, daß die anscheinend selbstgesteuerte Mechanik nur unter der originellen und perfekten Regie des Menschen funktionieren kann. Die Neuauflage des "Mechanischen Balletts" von Kurt Schmidt aus dem Jahre 1923 könnte als eine Art lebender Formenspiegel für Körpersprache und nonverbale Kommunikation verstanden. werden. Fünf Mitglieder der Gruppe stellen verschiedene Menschentypen als wandelnde " Formenvielfalt dar. Ein Bild Wandelnder Puzzleteile, die miteinander streiten, spielen, sich scheu annähern und wieder abstoßen. Jazzrhythmen oder auch nur einzelne Tonakzente begleiten das bunte Treiben auf der Bühne.
Unheimlicher und brutaler geht es in Laszlo Moholy-Nagys' "Mechanischer Exzentrik" zu. Mit tänzelnden Pfeilen und Scheiben, Neonlicht, Gittervorhang und Großstadteindrücken auf Film ergibt sich eine spannende, wortlose Geschichte. Mit Einfühlungsvermögen erarbeiteten Bühnenkonstrukteur, Choreograph, Interpreten und Techniker, Darsteller und Kostümbildner ein interessantes, "totales" Theatererlebnis.

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Christine Radmeyr
Kronenzeitung
 
 
Formen und Figuren, Blitze und Bilder
Langsam rundet sich das Bild. Nach den Bauhaus-Tänzen Oskar Schlemmers, die Gerhard Bohner schon vor Jahren rekonstruierte, nach seinem "Triadischen Ballett", nach den "Bildern einer Ausstellung" von Wassili Kandinsky, die 1985 der Studiengang Bühnenkostüm der Berliner Hochschule der Künste wieder erarbeitete, ja, auch nach der szenischen Komposition "Bilder, Bühne, Bauhaus - Eine Hommage", die Helfrid Foron vor knapp zwei Jahren in Stuttgart vorstellte, kann man sich als Zuschauer allmählich einen Eindruck von dem geradezu revolutionären Experimentalcharakter jener Bühnenwerkstatt machen, die zwischen 1921 und 1929 am Weimarer und Dessauer Bauhaus eingerichtet wurde. "Die mechanische Bauhausbühne" - das heißt "Das mechanische Ballett" von Kurt Schmidt und "Die mechanische Exzentrik" nach einem Entwurf von Laszlo Moholy-Nagy -, mit der das Düsseldorfer Theater der Klänge bis zum Sonntag im Theaterhaus gastiert, ist also mehr als nur eine Ergänzung einer ungefähren Vorstellung: Sie erneuert die Utopie einer totalen Mechanisierung des Theaters und zeigt, wohin Technisierung und Abstraktion auf der Bühne letztlich führen kann.
Im ersten Teil sieht man fünf Maschinenmenschen, die sich aus einfachen, farblich voneinander abgehobenen, geometrischen Grundformen zusammensetzen. Was sich anfangs wie eine seltsame Spielerei ausnimmt, wie ein absurdes Spektakel von einem anderen Stern, gewinnt nach und nach wieder seine Menschlichkeit. Dabei ist es zunächst ganz egal, ob man die flächigen Figuren als Windmühle, Maschinenwesen, Lokomotive, Tänzer oder Kleider identifiziert; viel wichtiger erscheint, daß aus den sperrigen, eckigen, klobigen Konfrontationen allmählich Dramen von einer rudimentären, rührenden Kraft erstehen, die einen sofort an eine mögliche Form des Ur-Theaters denken lassen.
Fast noch extremer danach "Die mechanische Exzentrik", die Jörg U. Lensing nach einem Manifest und dem Filmskript "Dynamik der Großstadt" des Malers, Fotografen und Typografen Moholy-Nagy erarbeitet hat: Formen und Figuren, die schwerelos im Raum schweben, Blitze und Bilder, die das Auge bombardieren, Mächte und Menschen, die eine Partnerschaft eingehen, die das Publikum erst errätseln muß. Kurz: Ein faszinierendes, futuristisches Ereignis, das aus der Theorie plötzlich Praxis macht.

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Hartmut Regitz
Kulturmagazin
 
 
Wenn sich Windmühle -und Lokomotive begegnen
Seit Ende der 70er Jahre ist es im Zuge einer neuerlichen Renaissance des Bauhauses auch zu einer intensiveren Beschäftigung mit der "Bühne im Bauhaus" gekommen, deren konzeptionelles Anliegen 1925 von Oskar Schlemmer, Laszlo Moholy-Nagy und Farkas Molnar im vierten der "bauhausbücher" formuliert wurde. Dies führte zur Rekonstruktion mehrerer Originalvorlesungen, wie z. B. dem "Triadischen Ballett" von Schlemmer.
Mit seinem Programm "Die mechanische Bauhausbühne" brachte unlängst das 1987 gegründete Düsseldorfer "Theater der Klänge" in der Aula des Dessauer Bauhauses zwei wesentliche im Weimar der 20er Jahre kreierte Werke zur Aufführung: "Das mechanische Ballett" des in Gera lebenden und noch produktiv tätigen Bauhausschülers Kurt Schmidt (geboren 1901) und "Die mechanische Exzentrik" des einstigen Bauhausmeisters Lazlo Moholy-Nagy (1895-1946). Während das "Mechanische Ballett" am 17. August 1923 anläßlich der Bauhauswoche seine öffentliche Uraufführung im Stadttheater Jena zur Musik von Hans Heinz Stuckenschmidt (1901-1988) erlebte, blieb die "Mechanische Exzentrik" ein theoretisch-utopisches Theaterprojekt, dessen Premiere erst am 27. November 1987in Düsseldorf mit dem Ensemble des "Theaters der Klänge" stattfand. Es handelt sich hierbei um ein "freies Musik- und, Tanztheater", dessen Mitglieder Komponisten, Musiker, Tänzer, Schauspieler und Künstler sind. Spiritus rector der jungen Theatervereinigung ist der Komponist Jörg U. Lensing. Nach etwa 25 Aufführungen des Programms in der BRD, in Belgien und Österreich war es für die Künstler der bisherige Höhepunkt ihres Wirkens, mit der "Mechanischen Bauhausbühne" in Dessau zu gastieren. Im traditionsreichen Bauhaus fand damit erstmals seit 1932wieder eine derartige Theateraufführung statt!
Ein radikaler Ansatzpunkt der "Bühne im Bauhaus" kam dabei zur Entfaltung: die nahezu vollständige Mechanisierung des Bühnengeschehens als eigenständige Theaterhandlung. Der Mensch, der bis dahin im Theater als "Träger logisch-kausaler Handlungen und lebendiger Denktätigkeit," fungierte, wird hier zum "Vermittler abstrakter Formbilder".
Kurt Schmidt, der von 1920 bis 1924 am. Weimarer Bauhaus entscheidende Impulse von Itten, Feininger, Kandinsky und Schlemmer empfing, hat 1923 aus eigenen Vorstellungen das "Mechanische Ballett" entwickelt, in dem abstrakte Formen auf der Bühne tänzerisch-pantomimisch ein eigenes Leben erhalten. Nur entfernt an Menschen erinnernde, mannshohe, farblich voneinander abgesetzte, geometrische Figurinen werden von dahinter verborgenen Akteuren so bewegt, daß durch die Choreographie fortwährend ein überaus lebendiges, der abstrakten Malerei gemäßes Bildgeschehen abläuft. Der menschliche Körper tritt dabei bewußt zurück, "um einem bunten, reinen Formenspiel Platz zu machen". Die Flächigkeit der Figurinen läßt nur Seitwärtsbewegungen ihrer Träger zu und damit ein zweidimensionales, die Bühnenform des Guckkastens bedingendes Spiel. In dem fünfteiligen, etwa 40minütigen Ballett treten die Figurinen einzeln bis gemeinsam in einer auf Steigung und Variation bedachten Reihenfolge auf, wobei es die Düsseldorfer nicht an humorvollen Pointierungen fehlen ließen. Hierbei begegnen sich "Windmühle", "Maschinenwesen", "Lokomotive", "Tänzer" und ein "Kleiner". Einfache melodische Floskeln, Jazz-Elemente und maschinenhafte Rhythmen prägen die neue Begleitmusik von Ensemblemitglied Hanno Spelsberg.
Läszlo Moholy-Nagy, der von 1923 bis 1928 als Leiter des Vorkurses und der Metallwerkstatt in Weimar und Dessau wirkte, entwickelte 1925 in seinem Artikel "Theater, Zirkus, Variete" die Forderung' einer "mechanischen Exzentrik als einer Aktionskonzentration der Bühne in Reinkultur". Seine "Mechanische Exzentrik" (1924/25), so die Partiturskizze, ist eine "Synthese von Form, Bewegung, Ton (Musik), Licht (Farbe) und Geruch". Er nutzt dafür die dreidimensionale Bühne und mehrere Bühnenebenen. Da schweben Pfeile durch das Bild, Lamellen öffnen sich, Kreise rotieren, aus "Elektro-Apparaten" ertönen gewaltige Klänge, Jalousien geben Blicke frei und schließen sich wieder, verschiedenfarbige Diapositive und der 1921/22 skizzierte und 1987 von Josef Schiefer erstellte Film "Dynamik der Großstadt" werden eingeblendet, in dem die Elemente des Visuellen "nicht unbedingt in logischer Bindung miteinander stehen". Gegen Ende erscheint ein Clown und wundert sich über derlei automatische Handlungsabläufe, dem folgt eine hektische Tanzszene, in der das Menschliche auf "Menschenmechanik" reduziert ist. Moholy- Nagy, der große Visionär einer Kunst, welche die, Möglichkeiten moderner Technik zu schöpferischer Anwendung bringt, warnt hier davor, ihr blindlings zu verfallen.
So ungewohnt und befremdlich diese "Aktionskonzentration der Bühne in Reinkultur" auch wirken mag, der unmittelbaren Faszinationskraft des Bühnengeschehens kann man sich dennoch schwerlich entziehen. Dies ist nicht zuletzt ein Verdienst der jungen Darsteller, deren Interpretationen von einem beeindruckenden Perfektionsgrad, übergreifender Spielfreude und Lebendigkeit geprägt waren.

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Michael von Hintzenstern
Neue Zeit
 
 
Maschinen-Menschen
"Ich für meinen Teil propagiere den körpermechanischen, den mathematischen Tanz" verkündete Bauhauskünstler Oskar Schlemmer 1926,in einer Zeit, in der die radikalen Ideen einer mechanisierten Bühnengestaltung unter Zurücktreten des Schauspielers revolutionär waren. An Arbeiten wie dem"Figuralen Kabinett" von 1922 kam kein Bauhausler vorbei, weder Kurt Schmidt mit "Mechanisches Ballett" von 1923noch Laszl6 Moholy-Nagy mit der "Mechanischen Exzentrik" – einem Konzept von 1924, das 1987 erst durch das Düsseldorfer "Theater der Klänge" zur Uraufführung kam.
Was den Zuschauern in den 20er Jahren wie Anarchie erscheinen mußte dünkt uns heute, da dieses Ensemble innerhalb der Veranstaltungsreihe "Form" die zweiteilige "Mechanische Bauhausbühne" im Erlanger Markgrafentheater zur Aufführung brachte. choreographisch nur noch mäßig spektakulär. Der Zuschauer ist letztendlich Betrachter eines bewegten Gemäldes, das inhaltlich wenig Spannung zeigt und als Spielerei zwar von historischem Interesse ist, von der modernen Bühne aber - wie beispielsweise Arbeiten von Robert Wilson und Achim Freyer immer wieder beweisen - längst aufgenommen und in atemberaubender Weise weiterentwickelt wurde.
"Das Mechanische Ballett" arbeitet mit bunten Formen, die vor dem Hintergrund des schwarzen Guckkastens erscheinen, wieder verschwinden, erneut auftauchen, sich treffen. Es sind abstrakte Figuren - wie Windmühle, Maschinenwesen oder Lokomotive – die mit Riemen an den Körpern von Tänzern befestigt sind und zu der vielseitigen Musik von Ensemblemitglied Hanno Spelsberg bewegt werden.
Aus dem Spiel mit den mechanischen Eigenbewegungen der Requisiten ergeben sich Arrangements, die nichts zu tun haben mit der Geschmeidigkeit des Klassischen Balletts. Der Tänzer selbst tritt völlig in den Hintergrund. Er ist den mechanischen Bewegungsgesetzen der Figurinen unterworfen und agiert nur noch als Beweger von etwas, das seine natürlichen Bewegungsmöglichkeiten völlig verändert. Der Tänzer gerät zum Drahtzieher. Während er sich im ersten Teil verdeckt auf der Bühne befindet, agiert er im zweiten nur noch aus der Kulisse heraus und verschafft Pfeilen, Stäben, Rädern und vielerlei Gebrauchsgegenstände ein Eigenleben.
"Die Mechanische Exzentrik" von Moholy-Nagy könnte ewig weitergehen: Hier schwebt ein Pfeil herein, da blitzt es, dort laufen Bilder aus modernen Zeiten vorbei, doch nirgendwo ist eine Pointe in Sicht, in der dieser Lauf der Dinge enden könnte. Die Variationsmöglichkeiten sind unendlich groß - und so sind die 33 Minuten, die der zweite Programmteil dauert, keine Minute zu kurz.
Der Tanz der Mechanik findet schließlich irgendwo sein Ende und nun erscheint er doch noch: der Mensch - doch nur als ein weiteres Glied in einer langen Kette, in der er sich längst die mechanische Bewegung von Maschinen zu eigen gemacht hat.

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pl
Nordbayrische Zeitung
 
 
Im Rhythmus der Roboter
In die halbleeren Reihen des Erlanger Markgrafentheaters hätte noch gut eine Kindergarten-Rasselbande gepaßt - und, das ist gewiß, die Kleinen wären mindestens ebenso begeistert gewesen wie die Erwachsenen. Denn was da unter dem trockenen Titel "Das Mechanische Ballett" im Rahmen der "Form"-Reihe und als Bauhaus- Ausgrabung vom Düsseldorfer "Theater der Klänge" präsentiert wurde, hat unbestreitbar komisch-poetische Qualitäten. Und war wohl auch so gemeint in den 30er Jahren, als die kurioscharmante Parade der abstrakten Pappkameraden vom gewitzten Bau-(Haus)-Kasten-Mechaniker Kurt Schmidt zum Staunen des Publikums auf die Bühne gezaubert wurde. Allerdings nur erahnen läßt sich heute, daß damals diese bunten, konstruktivistischen Fabel-Figuren, die von verborgenen Tänzern in eckige Bewegungen versetzt werden, auch Signale einer Ästhetik-Revolution waren. Das "Theater der Klänge", das beim letzten Figurentheater-Festival 1989 mit seiner "Barocken Maskenbühne" enttäuschte, überzeugt jetzt um so mehr mit seiner aufwendigen Rekonstruktion des Schmidt'schen Bauhaus-Balletts sowie der abstrakt-expressiven Nachbildung der "Mechanischen Exzentrik" des Laszlo Moholy-Nagy im zweiten Teil des kurzweiligen "Form"-Beitrags.
Zur Live- Musik mit Schlagzeug, Flügel und Posaune werden Schmidt's Windmühlen- und Maschinenwesen nebst Streifen-Zwerg und einem Ding, das an eine Lokomotive erinnern soll, im possierlichen Roboter-Rhythmus über die Bühne geschickt. Wie gesagt, ein netter Spaß für große und kleine Kinder, Futter für die Phantasie und ganz nebenbei auch noch eine unterhaltsame Exkursion in der Historie der Bauhaus-Historie.
Als abstrakt-dynamische Zugabe dann die bewegte Exzentrik des Moholy-Nagy, eine Art Fortsetzung von Ruttmanns Filmklassiker "Berlin - Sinfonie einer Großstadt" mit ganz anderen Mitteln. Da schweben und sausen im multimedialen Spektakel Pfeile und Reifen durch den Raum, daß es nur so seine - technisch raffiniert inszenierte – Bauhaus-Art hat

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M.B.
Nürnberger Nachrichten
 
 
Diese Mechanik menschelt
Das heutige Theater soll mit der unauflösbaren Einheit der dymamisch-kontrastierenden Phänomenrelation von Form, Bewegung, Ton und Licht gestaltet werden. Die Konsequenz ist, daß es mit dem Theaterschrifsteller und mit seiner Literatur zu Ende sein muß. So radikal klang der Ansatz der Baubausbühne ,hier in einem Zitat aus der "Mechanischen Exzentrik" von Laszlo Moboly-Nagy.
Auf diesen radikalen Ansatz Augenmerk legen will das Düsseldorfer "Theater der Klänge"- mit der Produktion "Die mechanische Bauhausbühne". Es geht dem Ensemble einerseits um Anknüpfen des gerissenen Fadens zum ideellen Überbau des Bauhauses, dessen Formenkanon in Architektur und Design mehr oder weniger mißglückt ausgeschlachtet wurde und wird.
Nun hat seit den frühen zwanziger Jahren, in denen eine ebenso enthusiastische wie hungrige Schar Junger Künstler in ungetrübter Fortschritts - und Technikgläubigkeit Postulate wie das nach dem vollmechanisierten Theater der Zukunft aufstellte, das Pendel zurückgeschwungen. Wir haben längst ein gebrochenes oder zumindest angeschlagenes Verhältnis zur Übertechnisierung. Aus dieser heutigen Perspektive aber sind das gezeigte "Mechanische Ballett" des Kurt Schmidt - von Tänzern in Manier des Schwarzen Theaters bewegte geometrische Körper - und die "Mechanische Exzentrik" von Laszlo Moholy-Nagy,beide bemüht um möglichste Reduktion des "menschlichen" Elements auf der Bühne, geradezu rührend. Die Archaik des Schnürlziehens dieser Bewegungsabläufe menschelt geradezu hinreißend innerhalb der Ars Electronlca mit ihren digitalen Kunststückln.

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Ulrike Steiner
Ö Nachrichten
 
 
Als die Bausteine laufen lernten
Das "Theater der Klänge" aus Düsseldorf beschäftigt sich mit der Bauhausbühne der zwanziger Jahre, die 1933mit der Zerschlagung des Bauhauses durch die Nationalsozialisten ein jähes Ende gefunden hat. Ausgehend vom "Mechanischen Ballett", das Bauhaus-Mitglied Kurt Schmidt 1923 entwickelte, ließ die junge Theatercrew die auf geometrischen Formen basierende Bauhausbühne wiederauferstehen.
"Ein Ballett ,das so schön ist wie es sich nur Mechaniker vorstellen können",heißt es, bevor die mächtigen Gliederpuppen,diese lebenden Bausteine - bewegt von für die Zuseher kaum sichtbaren Tänzern - Figurenkonstellationen zustande bringen,die mit Präzision denselben Winkel einnehmen oder zu abstrakten Bühnengemälden werden. Ein überdimensionaler Matadorkasten, in dem Beziehungskisten – inhaltlich und auch optisch im wahrsten Sinn des Wortes - dargestellt werden.
Das Verblüffende an diesem ästhetischen Schauspiel ist, daß die Grundidee mehr als 60 Jahre alt ist und erst jetzt wieder ihre Fortsetzung gefunden hat.
Nach der Pause wird die "mechanische Exzentrik"von Laslo Moholy-Nagy gezeigt, eine Synthese von Form, Bewegung, Licht, Film und Ton - eine mechanisierte Bühnenhandlung, bei der die Gegenstände wie von Geisterhand bewegt im Bühnendunkel herumflitzen, sich anstupsen, in die Luft schwirren und, genauso schnell wie sie gekommen sind, wieder verschwinden. Bewegt werden die Hauptdarsteller aus Pappe auf einem Gewirr von hauchdünnen Drähten.
Eine Form- und Bewegungsaktion, bei der der Mensch total in den Hintergrund rückt und - quasi als Kontrapunkt - am Ende doch auftaucht: Als Clown, der verzweifelt versucht, die Geister, die er rief, diese sich selbständig machende Technik, in die Schranken zu weisen. Schlußpunkt des mechanischen Totaltheaters ist der Auftritt eines Tänzers, der kraftvolle, geschmeidige Ausbruchsversuche wagt, aber doch ein Gefangener im "Maschinen-Raum"bleibt.

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SILVIA KITZMANTEL
Ö Tageblatt
 
 
Bauhaus-Ballett kehrt nach 80Jahren nachJena zurück
Als am 17. August 1923 das "Mechanische Ballett" der Bauhaus-Künstler Kurt Schmidt und Georg Teltscher im Jenaer Theaterhaus seine Premiere erlebte sangen die Kritiker diesem avantgardistischen Tanztheater nicht gerade Lobeshymnen. Einige gute Einfälle. Insgesamt enttäuschend misslungen, hieß es in einer Jenaer Zeitung.
Nach 80 Jahren kehrte dieses Bauhauswerk an seinen Ursprungsort zurück und eröffnete Donnerstagabend das mittlerweile in Jena etablierte "Theater der Bewegung". Dieser Festival-Auftakt war alles andere als enttäuschend. Aufregend im Wortsinn und überaus spannend präsentierte das Düsseldorfer "Theater der Klänge" seine Sicht auf dieses Ballett, bei dem die Tänzer selbst verborgen bleiben und sich hinter mannshohen, farbigen, geometrischen Figuren bewegen.
Das Ensemble rekonstruierte diese Figurinen vor rund 15 Jahren originalgetreu damals unterstützt von dem noch in Gera lebenden Kurt Schmidt, der seinerzeit mit dem Filzstift nicht zimperlich gewesen sein soll. Er sorgte damit für "schlankere Formen", wollte sich aber in die choreografische Arbeit nicht einmischen. Dafür hätten die Bauhäusler kaum Zeit gehabt. war im anschließenden Gespräch mit den Düsseldorfer Künstlern zu erfahren. Schmidt selbst habe während der Uraufführung improvisiert und den Tänzern Anweisungen gegeben. Die Choreografie der Düsseldorfer Truppe erdachte Jörg U. Lensing neu zur ebenfalls neuen Musik von Hanno Spelsberg. Die in Jena in der Besetzung Klavier (Thomas Wansing), Schlagzeug (Dieter Stamer) und Posaune (Matthias Müller) für Aufsehen sorgte. Ebenso wie das originelle Mit- und Gegeneinander von Windmühle, Maschinenwesen, Lokomotive, Tänzer und dem Kleinen auf der Suche nach einer immer neuen Bildersprache. Diesem Spiel mit Formen und Farben, den witzigen Einfällen und ausgeklügelten Bewegungsabläufen sah man zu keiner Zeit an wie schweißtreibend die Tänzer hinter den Figurinen aus Sperrholz agierten. Mit einer scheinbaren Leichtigkeit entstand Bild um Bild, abstrakt, farbenfroh, durch interessante Lichteffekte in Szene gesetzt. Eine spannende Performance, die zudem dem Aufführungsort Volksbad als Ausweichspielstätte des Jenaer Theaterhauses wunderbar entsprach.
Der zu Anfang gezeigte Film "Dynamik der Großstadt" als Hommage an den Bauhäusler Laszla Moholy-Nagy beeindruckte mit einer spannend inszenierte Bilderreise durch den Großstadtdschungel sorgte allerdings durch seine Lautstärke auch für Unbehagen. Zumindest beim älteren Publikum.

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Sabine Wagner
OTZ
 
 
Bauhaus Tanz
»Es ist so weit, am historischen Ort öffnet sich wieder der Vorhang für Experimente der Bauhausbühne.« Mit diesen Worten, einem Blumenstrauß für den anwesenden Bauhäusler Gerhard Marcks und einer Erinnerung an den skandalumwitterten ersten öffentlichen Auftritt der Bauhausbühne am 17. August 1923 im Stadttheater Jena eröffnete Jörg U. Lensing, Spiritus rector des »Theaters der Klänge« aus Düsseldorf, dessen dreitägiges Gastspiel im Bauhaus Dessau. Die aus zehn Mitgliedern bestehende und 1987 gegründete freie Gruppe zeigte ihre ersten beiden Inszenierungen, eine Rekonstruktion der 1923 uraufgeführten Bauhaus-Produktion »Das mechanische Ballett« von Kurt Schmidt, Friedrich Wilhelm Bogler und Georg Teltscher und als Uraufführung nach Laszlo Moholy-Nagys Partiturskizze (1924/25) »Die mechanische Exzentrik«. Damit setzt das »Theater der Klänge« eine Reihe theaterpraktischer Auseinandersetzungen mit dem Erbe der von 1921 bis 1929 am Weimarer und Dessauer Bauhaus tätigen Bühnenwerkstatt fort. Deren bisherige Höhepunkte waren Gerhard Bohners Neufassung (1977) von Oskar Schlemmers »Das triadische Ballett« (1922), Martin Rupprechts Rekonstruktion (1983) der »Bilder einer Ausstellung« von Wassily Kandinsky (1928) und Reinhard Wanzkes, Jürgen Stegers und Jörn Budesheims elektromechanisches Ballett »Blaugrau bleibt Blaugrau« (1986) nach Andor Weiningers »Abstrakte Revue« (1926).
Auf historischen Abbildungen erweckten die fünf starkfarbigen, aus geometrischen Grundformen zusammengesetzten Maschinenwesen des »MechanischenBalletts« den Eindruck, als würde das hinter ihnen versteckte »Bedienungspersonal« sie technisch bedingt nur in wenigen Variationen bewegen können, so daß auf der Bühne Begegnungen von Pseudo-Robotern vorstellbar waren. Die szenische Erprobung des sorgfältig recherchierten historischen Materials erwies nun, daß die Tänzer den an Armen, Beinen und Kopf befestigten Figurinenteilen differenzierte menschlich-tänzerische Motorik zu verleihen vermögen. Die von der Vorstellung einzelner Wesen über Zweierbegegnungen verschiedener Art zu immer komplexerem Geschehen aufsteigende vierzigminütige Handlung wird wirkungsvoll unterstützt durch eine von Klavier, Schlagzeug und Posaune (unter Verwendung von Elementen der Uraufführungsmusik von Hans Heinz Stuckenschmidt) erzeugte jazzige dramatische Pointierung und »Figuren«-Charakterisierung. Durch Tanz und Musik werden die abstrakten Figurinen zu Zeichen menschlicher Typen und ihre Kollisionen zu Zeichen menschlichen Verhaltens, die, »gereinigt « vom konkreten Aussehen des menschlichen Darstellers, als solche identifiziert werden können. Der Spaß des Wiedererkennens ergänzte immer wieder die allgemeine Faszination des Publikums durch die musikalisch strukturierte Bewegung farbig-flächiger Formen. So etwa, wenn dramatische Situationen sich ganz eindeutig entwickeln, wie bei der scheuen Annäherung, heftigen Vereinigung und zögernden Trennung von »Windmühle« und »Maschinenwesen «, oder wenn alle Möglichkeiten tänzerischer und musikalischer Interpretation für die Charakterisierung eines Wesens ausgeschöpft werden, wie in der Vorstellung des »Tänzers« in seinen kalten Farben und kompakten Formen mit einem aggressiven Tango, der in einer kriegerischen »Gebärde« gipfelt. Beim herrlich hilflosen »Kleinen«, dessen einziger »Arm« traurig baumelt und dessen »Mütze« immer wieder verrutscht, ermöglicht die formale Reduzierung der Figurine mit einer Beschränkung ihrer Bewegungsmöglichkeiten eine Konzentration ihres Ausdrucks.
Während die Konfrontation von Mensch und Dingwelt im »Mechanischen Ballett« das Zusammenspiel von Tänzer und Figurine vergegenständlicht und durch artistisch-darstellerische Aktivität und Herausforderung von Wahrnehmungsbereitschaft des Zuschauers ständig präsent bleibt, ist sie in der Uraufführungsinterpretation von Moholy-Nagys »Mechanischer Exzentrik« eher Thema und Assoziationsangebot als szenische Realität. Untermalt von vorproduzierter maschinenhafter Musik und gesteuert von »Drahtziehern«, entfalten sich vor einer aus Jalousien bestehenden Projektionswand zunächst die flächigen Möglichkeiten bewegter farbiger Pfeile und geometrischer Formen. Als der Durchblick auf die Bühne eröffnet wird, beginnen auf einem Tisch installierte technische Geräte ihr Eigenleben, eine Farbscheibe dreht sich, eine bewegte Glühlampe wirft verschiedene Lichtspiele, elektrische Entladungen knattern über einen Lautsprecher und eine Sofortbildkamera fotografiert das Publikum, ehe ein Gittervorhang es von der Bühne trennt. Ein dickes Aluminiumrohr »schaut« herein und spuckt Nebel über Bühne und Zuschauer. Auf einer Projektionsfläche wird ein Film nach Moholy-Nagys Typfoto »Die Dynamik der Großstadt« gezeigt. Die Bedrohlichkeit, die von ungewohnten Perspektiven und Mechanik offenbarenden Alltagsszenen ausgeht, wird durch einen schicksalhaft vor der Leinwand hereinpendelnden überdimensionalen Metallkolben unterstrichen. Überraschend aber bricht dieser auseinander und seine Hälften tanzen im Raum gegeneinander. Als schließlich drei Räder heranrollen und -schweben, tritt ein sehr verunsicherter trauriger Clown auf, der sie mit einer Art Billardstock zu vertreiben sucht und von ihnen genarrt wird. Ohne Kontaktaufnahme zu der nun leblosen Bühnenwelt bleibt die abschließende solistische Tanz-Pantomime, die einige Elemente der gesehenen Entwicklung von einfachsten flächigen über körperlich-mechanische bis zu raumgreifenden Bewegungen nachvollzieht. Sie wird auf dem Programmzettel als »Menschenmechanik« bezeichnet und ist auf der Partiturskizze von Moholy-Nagy als Ablösung des menschlichen Darstellers durch eine Marionette zu erkennen. Faszinierend perfekte bühnentechnische Organisation und Darstellung technischer Fremdbestimmtheit und melancholischer Gegenwehr des Menschen blieben in der »Mechanischen Exzentrik« weitgehend voneinander isoliert und hinter der theatralischen Sprachfindung im »Mechanischen Ballett« zurück.
Nicht der in den theoretischen Erwägungen der theatermachenden Maler des Bauhauses formulierte Bezug auf Technikentwicklung an sich macht die theaterhistorische Bedeutung der Bauhausbühne aus, sondern ihre radikale Suche nach einer Sprache des Theaters im 20. Jahrhundert, die veränderte Wahrnehmungsweisen des modernen Menschen berücksichtigt. Ihre Funktion gewinnt die Auseinandersetzung mit diesem Erbe aus aktuellen Bemühungen um ein zeichenhaftes und Kunstproduktion wie -rezeption veränderndes »Bildertheater« als dessen internationale Protagonisten Bob Wilson und Achim Freyer dem Vernehmen nach bekannt sind. Hätten die Zuschauer in Dessau das informative Programrnheft des »Theaters der Klänge« erstehen können, hätten sie erfahren, daß es seine Aneignung der historischen Avantgarde als Ausgangspunkt für weiterführende Experimente ansieht. Für diese ist der engagierten und sympathischen jungen Truppe Erfolg und Durchhaltevermögen zu wünschen. Dem Dessauer Bauhaus ist zu wünschen, daß es für seine Bemühungen um das Stattfinden experimentellen Theaters auf seiner kunsthistorisch herausfordernden Bühne Partner findet. Das Landestheater Dessau beispielsweise - damals hieß es noch Friedrich-Theater und Georg von Hartmann war sein Intendant - bewies schon 1928 Mut, als es Wassily Kandinskys »Bilder einer Ausstellung« produzierte, ein Projekt, das nur zweimal gezeigt werden konnte und doch Kunstgeschichte machte.

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Jan Kerber
Theater der Zeit
 
 
Höchste Perfektion und Spielfreude
Unter dem Titel "Die mechanische Bauhausbühne" gastierte anläßlich des 5. Internationalen Bauhaus-Kolloquiums in den letzten Junitagen das Düsseldorfer "Theater der' Klänge" im Deutschen Nationaltheater Weimar. Auf dem Programm standen zwei wesentliche im Weimar der 20er Jahre kreierte Werke: "Das mechanische Ballett" des in Gera lebenden und noch produktiv wirkenden Bauhausschülers Kurt Schmidt (geboren 1901) und "Die mechanische Exzentrik" des einstigen Bauhausmeisters Laszlo Moholy-Nagy (1895-1946). Als das junge Düsseldorfer Ensemble damit in der Aula des Dessauer Bauhauses auftrat, veröffentlichten wir bereits eine ausführliche Rezension (TT vom 13. Oktober 1988).
Das erste öffentliche Auftreten der Bauhausbühne fand innerhalb der Bauhauswoche am 17. August 1923 in dem von Walter Gropius umgebauten (und inzwischen abgerissenen) Stadttheater Jena statt. Unter dem Sammeltitel "Das Mechanische Kabarett" wurden sechs Einzelnummern dargeboten. Doch die Veranstaltung stand unter einem Unstern, denn einige der benötigten Figurinen und Kulissenteile "aus eigener Werkstatt" wurden erst so kurz vor Aufführungsbeginn fertig, daß sie nicht mehr ausprobiert werden konnten. Dadurch sah sich Andreas Weininger – laut historischem Programmzettel "mechanisierter Conferencier" und zugleich der spielleitende Magister in Oskar Schlemmers "Figuralem Kabinett" - gezwungen, die seiner Rolle ,aufgetragene "Sorge um die Funktion des Funktionellen" über das Kabinett hinaus auch den übrigen Vorführungen zuzuwenden. Dank geistreicher Ausreden gelang es ihm immer wieder, die ausgedehnten Umbaupausen zu überbrücken und das Publikum über die verzögerte Vereinigung von Kunst und Technik hinwegzutrösten. Als die "Schlacht bei Jena" ist dieser Abend in die, Geschichte der Bauhausbühne eingeangen...
An jenen historischen Zusammenhang knüpft zu Beginn Jörg U. Lensing vom "Theater der Klänge" in der Rolle des Andor Weininger an, bevor das "Mechanische Ballett" von Kurt Schmidt über die Bühne geht, jenes Werk also, das der einzige volle Erfolg des Bauhaus-Bühnen-Debüts In Jena war. Über die Grundidee des "Mechanischen Balletts" schreibt der Künstler: "Hier sollten die dynamischen Kräfte, die in den Formen der abstrakten Bilder verfestigt sind, losgelöst von der Bildkomposition in Bewegung gebracht werden." Farblich voneinander abgesetzte geometrische Figurinen, die aus wiederum beweglichen Figurenteilen bestehen, werden von dahinter ,verborgenen Akteuren so bewegt, daß durch die Choreographie fortwährend ein überaus lebendiges, der abstrakten Malerei gemäßes Bildgeschehen abläuft. Im fünfteiligen Ballett treten die Figurinen einzeln bis gemeinsam in einer auf Steigerung und Variation bedachten Reihenfolge auf. Dabei begegnen sich "Windmühle" (Claudia Auerbach) "Maschinenwesen " (Laura Wissing), "Lokomotive" (Jacqueline Fischer), "Tänzer" (Tanja Nie) und ein "Kleiner" (Rainer Behr). Ensemblemitglied Hanno Spelsberg hat hierzu eine bewußt einfach gehaltene Begleitmusik gestaltet, die schlichte melodische Floskeln, Jazzelemente und maschinenhafte Rhythmen in den Dienst der Bewegungsabläufe stellt. Dies alles ereignet sich in höchster Perfektion und übergreifender Spielfreude. Das Weimar Publikum zeigte sich begeistert mit Biefall im Fortissimo!
Mit der Rekonstruktion des "Mechanischen Balletts" wurde zugleich die Aufmerksamkeit auf einen Künstler aus unserer Mitte gelenkt, der längst mehr Beachtung verdient hätte. Schmidt, der von 1920 bis 1924 am Weimarer Bauhaus entscheidende Impulse von Itten, Kandinsky und Schlemmer empfing, lebt seit 60 Jahren in Gera. 1938 wurden Szenen des "Mechanischen Balletts" in, den "Leipziger Neusten Nachrichten" abgebildet, als dort die Ausstellung "Entartete Kunst" stattfand. In der Formalismusdiskussion der Nachkriegszeit stieß er auch auf wenig Verständnis. Seit Mitte der 70er Jahre (!) sind seinem Werk wieder Ausstellungen gewidmet. Vieles ist noch zu entdecken und zu würdigen. Nach den vorbildlichen Personalausstellungen mit Werken von Max Bill und Xanti Schawinsky sowie der Arbeiten von Mies van der Rohe dürfen wir auf eine größere Exposition des Schaffens von Kurt Schmidt gespannt sein.
Laszlo Moholy-Nagy strebte mit seiner "Mechanischen Exzentrik" (1924/25) eine Synthese von Form, Bewegung, Ton. Licht und Farbe an, um daraus etwas Neues entstehen zu lassen. Mit den Mitteln unserer heutigen Zeit realisierte das "Theater der Klänge" erstmalig die Partiturskizze; die 1925 im vierten ,der .,bauhausbücher" veröffentlicht wurde. Auch hier eine phantasievolle und grandiose Leistung, die in diesen Spalten schon gewürdigt wurde. Den Düsseldorfern ist es gelungen, die Visionen Moholy';Nagys mit den Innovationen heutiger Kunst in ein dichtes Beziehungsgefüge zu bringen.

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Michael von Hintzenstern
Türinger Tageblatt (DDR)
 
 
Poesie aus Dreiecken und Kreisen
Bis in den April hinein werden sie sich hinziehen, die erstaunlichen Aktivitäten der Stadt München in Sachen Tanz - jenseits des klassischen Staatsopernballetts, das führungs- und aufführungs los, dank des wegen Umbaus geschlossenen Nationaltheaters, derzeit in der bayerischen Metropole ein trostloses Dasein fristet. Was vor zwei Jahren mit dem schlichten Titel "Dance 87" begann, scheint sich mit "Dance 89", dem 2. Internationalen Tanzfestival München, als Biennale von Format zu etablieren.
Unter dem Generalthema "Bildende Kunst und Tanz" erarbeiteten in anscheinend reibungsloser Team-Arbeit unter der Koordinierung von Bettina Wagner-Bergelt und Hortensia Völckers Kulturreferat und Staatstheater am Gärtnerplatz, Städtischer Kunstverein und Heinz-Bosl-Stiftung, Siemens Kultur- Programm, Filmmuseum und nicht zuletzt das niederländische Theaterinstitut Amsterdam ein Programm, das von mechanischen Tanztheater- Modellversuchen des Bauhauses in den frühen zwanziger Jahren über Modern-Dance-Variationen in Amerika bis zur Hommage an Hans van Manen und seine 30jährige richtungweisende Choreographiearbeit an niederländischen und deutschen Tanzbühnen reicht.
Den Beginn macht ein Wiederbelebungsversuch des multimedialen mechanischen Balletts. Was Fernand Leger 1923 in Paris mit symbolischen Filmstreifen versuchte, in denen an die Stelle der Tänzer bewegte geometrische Figuren traten, erarbeiteten sich Bauhaus- Künstler wie Oskar Schlemmer, Kurt Schmidt und Laszlo Moholy-Nagy auf der Bühne, Gesamtkunstwerke aus beweglichen geometrischen Formen, aus Licht und aus Klang. Der Mensch dahinter nur als bewegendes, nicht bewegtes Instrument.
Dabei zeigte sich Kurt Schmidts "Mechanisches Ballett" von 1923 als überraschend anmutiges, ja poetisches Bühnenwerk, eine fast beseelte Begegnung eigentlich ausdrucksloser Formen wie Dreieck, Viereck und Kreis, zusammengeschweißt zu variationsreichen mehr oder weniger grotesken bunten plastischen Figuren. Meist im Zeitlupentempo, unter suggestivem Lichtwechsel und adäquaten Klängen einer mit "Kreissäge" behüteten Klavier- Schlagzeug-Posaune-Band, bewegten sich "Windmühle", "Maschinenwesen", "Lokomotive", ein unter diesen langsamen Umständen rasanter künstlicher "Tänzer" und ein possierlicher "Kleiner" aufeinander zu, berührten, verhakten und distanzierten sich wieder, skurril und komisch durch immer wieder überraschende kleine Bewegungen.
Die Künstler der noch ziemlich jungen Truppe des Düsseldorfer "Theaters der Klänge" wollen mit dieser Belebung einer Theaterästhetik der 20er Jahre das Tanztheater um eine fast vergessene Dimension erweitern. Der heute in Gera in der DDR lebende 88jährige ehemalige Bauhauskünstler Kurt Schmidt gab sein Placet dazu.
Überhaupt zum erstenmal auf der Bühne erprobt wurde vom gleichen Ensemble Laszlo Moholy-Nagys "Mechanische Exzentrik" eine Theater-Objekt-Idylle aus beweglichen farbigen Scheiben und Pfeilern, bunten Balken vor und hinter geschlossenen oder geöffneten Jalousien oder groben Stoffrastern und einem freigelassenen "Fenster", hinter dem Leinwand-projektiert in rasanter Bildfolge "Dynamik der Großstadt" gezeigt wurde. Hier kam der Klang aus der Elektronik, und am Ende durften ein wirklicher Mann und eine wirkliche Frau mit mechanischen Bewegungen maschinelle Objekte imitieren und suggerieren. Die chaplineske, höchst professionelle einführende Bedeutung vortäuschende Silbensalat-Conference des Truppenleiters Jörg U. Lensing versprach zwar allerhand, aber Moholy-Nagys mechanisches Bühnenkabinett wirkte zu intellektuell konstruiert, ermüdend, blieb ohne den Charme der Schmidtschen Figurinen.

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H.Lehmann
Weser Kurier
 
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