Die Neuberin
Die Passion einer deutschen Prinzipalin
Friederike Caroline Neuber, die "Neuberin" genannt, war eine ungewöhnliche
Frau. Sie ?versuchte in ihrer Zeit die Gründung eines gehobenen städtischen
Bürgertheaters, als neues Theater zwischen den damaligen Formen der elitären
italienisch, höfischen Oper und den primitiven Boulevard-Bretterbuden auf
den Marktplätzen.
So sehr sie in jungen Jahren Furore machte und es sogar schaffte einige Autoren
an ihre ?Bühne zu binden, so sehr setzte ihr die männerdominierte
Konkurrenz zu, so daß sie am Ende ihr eigenes Theaterhaus, ihre Truppe
und zuletzt sogar ihre Reputation verlor.
Trotzdem setzte diese Frau Zeichen für das Theater und bereitete mit ihren
Bemühungen ?einem Lessing und in dessen Nachfolge einem Goethe und Schiller
und damit der Entstehung eines niveauvollen aufklärerischen Theaters in
Deutschland die Grundlage. Diese Frau schrieb Theatergeschichte, obwohl sie
bis heute - ungerechtfertigterweise - wenig bekannt ist.
Sie begründete einen neuen Ensemblebegriff, einen neuen Umgang mit Text,
eine neue ?Einbindung von Musik in ihren Theaterstücken und stellte in
Deutschland als erste die Frage nach der Notwendigkeit fester, stehender Theater.
Sie überzeugte die größte Zeit ihres Lebens sowohl als großartige
Schauspielerin, wie auch als Prinzipalin ihrer eigenen Truppe.
An dieser Frau macht sich vieles fest und läßt sich vieles aufzeigen:
Der Kampf um eine Überzeugung, zwischen den Mühlsteinen von höfischen
und Stadtratsinteressen in einer Blütezeit nach dem dreißigjährigen
Krieg, die bestimmt war von den großen französischen Vorbildern Louis
XIV und Moliere.
Eine leidenschaftliche Frau in einer Zeit, in der Komödianten mit Vaganten
und Landstreichern gleichgesetzt wurden und Komödiantinnen als Huren galten.
Ruhm und Untergang einer Frau, die am Ende ihren männlichen Konkurrenten
und sogar ihrem Mann, wie ihren Schauspielern unterlag...
Dieser Stoff wurde von den Autoren Clemente Fernandez und J.U.Lensing in den
Jahren ?1997/98 zu einem Theaterstoff entwickelt, der in 24 Szenen das Leben
der Neuberin von ?ihrem 19 Lebensjahr bis zu ihrem Tod reflektiert. Das dreieinhalbstündige
Theaterstück ?erlebte 20 Aufführungen in Düsseldorf, Essen, Köln,
Gotha, Weimar und Zwickau.
Im Anschluß an die Aufführungsserie entstand als Kompilation des
Theaterstücks ein einstündiges Hörspiel von J.U.Lensing, welches
als Hörbuch-CD erhältlich ist.
Die multimediale Produktion unter Einbeziehung von Schauspiel, Tanz, Videoprojektionen,
Musik, Off-Texten und akustisch-elektronischer Gestaltung wurde in Zusammenarbeit
mit dem ICEM der Folkwanghochschule Essen und der FH-Dortmund und mit Unterstützung
des Landesarbeitskreises "Multimedia und Kunst" realisiert.
"Die Neuberin" markiert stilistisch (leider) den vorläufigen
Abschluß der langen und intensiven Arbeit mit Theatermasken in der Figur
des Harlekin/Hans-Wurst Müller, virtuos verkörpert von Clemente Fernandez.
Die Methode mit Hilfe von Masken zu Figurenfindung zu gelangen ist aber bis
heute Bestandteil der Probenarbeit beim Theater der Klänge und führte
in der Folge zur Typenentwicklung insbesondere in den Stücken "Gregorius",
"ich ist ein anderer" und "Johnnys Jihad".