Die barocke Maskenbühne
"Die barocke Maskenbühne" ist der Titel für ein Stück,
das aus den Ideen des 1716 gedruckten Kompendiums "Die neue und curieuse
theatralische Tantz-Schul" des damals in Deutschland lebenden Tanzmeisters
Gregorio Lambranzi erarbeitet wurde.
Lambranzis Werk behandelt die Vermischung der unterschiedlichen Theaterformen
seiner Zeit, die hauptsächlich dadurch definiert sind, daß es eine
Trennung von Musik, Tanz und Schauspiel noch nicht gab. Basierend auf der Musik
und den Tänzen seiner Zeit, wie sie zum einen beim Volk, zum anderen bei
Hofe gepflegt wurden, entwirft er in 100 Stichen einen szenischen Katalog, der
sowohl die Stände-, Berufs- und Theatertypen seiner Zeit, als auch höfische
Tänzer und skurrile Figuren in szenisch-tänzerischen Sequenzen festhält.
Von diesen Stichen und der damit verbundenen barocken Ästhetik inspiriert
hat das Theater der Klänge die Tänzer- und Komödiantentruppe
Lambranzis wieder auferstehen lassen, um in einer Zusammenstellung von höfisch-barocken
Tänzen, Volkstänzen, Tanzparodien, Maskenspiel und der Theaterfigur
Lambranzis (sowie seiner Frau) ein Sittengemälde des spätbarocken
Tanz- und Musiktheaters zu zeichnen.
Dieses Theater ist bestimmt durch eine halboffene Wanderbühnenkonstruktion,
eine Lichtgebung mit Kerzenlicht, opulente Kostüme, Commedia dell'Arte
Figuren, eine eigene Theater- und Tanzmusik und eine Inszenierung, in der die
Körpersprache das gesprochene Wort weitgehend überflüssig macht.
Die barocke Maskenbühne, erstellt in kollektiver Zusammenarbeit der Ensemblemitglieder
des Theaters der Klänge und in Autorenschaft von Jörg Lensing, ist
dabei keine Rekonstruktion alten Theaters, sondern vielmehr eine Beschäftigung
mit einer anderen, nicht literarischen und damit vorbürgerlichen Form von
Theater. In der Neu-Komposition der Musik, Neu-Choreographie der Tänze
und Neu-Inszenierung des gesamten Stoffes handelt es sich bei der "barocken"
Maskenbühne um ein zeitgenössisches Theaterstück, das sich durch
die Masken des Barock bis heute als künstlerische Herausforderung und Prüfstein
der Möglichkeit eines "anderen" Theaters auf der Grundlage einer
verschütteten Tradition erweist.
Aus diesem Grund hat die barocke Maskenbühne seit 1989 bisher 5 verschiedene
Fassungen erlebt, die mit den Masken, Kostümen und szenischen Ideen von
Gregorio Lambranzi immer so verfuhren, wie dies auch in der historischen Commedia
dell'Arte der Fall war. Jedes für jede Neufassung neu gebildete Ensemble
improvisierte mit den vorgefundenen Materialien, Figuren, Lazzi und Tänzen
(und Stichen), so daß aus jeder Improvisationsphase eine neue Fassung
auf der Grundlage des gleichen ästhetischen Rahmens erstellt werden konnte.
Die Arbeit mit den Masken der Commedia dell'Arte war von 1988 bis 1999 fester
Bestandteil im Theater der Klänge und wurde zeitweise als Prüfungs-
und Ausbildungsgrundlage für Ensembleneuzugänge eingesetzt.
Die 5 verschiedenen Fassungen, sowie eine Straßentheaterfassung für
das "Festival d´Avignon" im Jahr 1993 erlebten insgesamt 55
Aufführungen an 7 verschiedenen Orten und wurden von ca. 10000 Zuschauern
gesehen. Die Maskenarbeit mündete 1994/98 in die Erstellung einer zeitgenössischen
Eigenkreation unter dem Titel "Reden ist Silber...", sowie 1999 in
der Figur des Harlekin/Hans-Wurst im Stück "Die Neuberin".
Das Theater der Klänge verfügt durch diese mehr als zehnjährige
Arbeit mit den unterschiedlichsten Maskentypen über eine entsprechend große
Sammlung von mehreren hundert Masken, die die Gruppen Commedia dell´Arte,
Expressivmasken, bis hin zu balinesischen Tanzmasken umfaßt.