Presse
 
Mysterienspiel – gewagt, gewonnen
Eine alte Legende, bei der es um Tabuverletzungen wie Inzest zwischen Geschwistern sowie zwischen Mutter und Sohn geht, und die einen geradezu apotheotischen Schluss beinhaltet, bei dem der schuldig Gewordene und jahrelang Büßende von Gott zum Papst bestimmt wird – eine solche unzeitgemäße Legende heute auf die Bühne zu bringen, verlangt Mut. Das "Theater der Klänge" hat es gewagt, "Gregorius auf dem Stein" in Klänge und Szenen zu bringen, deren Suggestivität die Kräfte eines Mysterienspiels hat. Und es hat gewonnen. (...) Lensing, Kopf des "Theaters der Klänge", war auch für die gesamte Inszenierung zuständig. Ein Erzähler führte durch die Stationen der Handlung, die wiederum oft choreografisch umgesetzt wurden (Choreografien: Jacqueline Fischer). Wunderbar waren der pas de deux der Geschwister (Jelena Ivanovic und Nicholas Mansfield), der sich vom spielerischen Nachlaufen bis zur angedeuteten Vereinigung steigerte, sowie der Tanz des Sohns mit seiner Mutter (Alice de Souza Singer). Auf der sparsamen Bühne wurde Handlung und Veränderung häufig durch Umkleideszenen angezeigt (Kostüme: Caterina di Fiore); die Lichtregie (Thomas Klaus) machte Ortswechsel sinnfällig. Mit geradezu musikalischem Rhythmusgefühl und mit vielen unterschiedlichen Registern in Sprache und Körpersprache wurden die Texte (nach Thomas Manns "Der Erwählte") umgesetzt; allen voran Clemente Fernandez und Matthias Weiland in mehreren Rollen. Die grotesken Elemente ihres Auftritts als Kirchenmänner nahmen der Papstsuche gegen Ende des Spiels ihre Schwere. Ein ohrenbetäubendes Geläut schlug den Bogen zum Anfang. Eine Art Choral beschloss die Geschichte.

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Norbert Laufer
Rheinische Post
 
 
"Denn unser beider ist niemand wert"
Unter dem Titel "Gregorius auf dem Stein" bringt das "Theater der Klänge" Thomas Manns Roman "Der Erwählte" über Geschwisterliebe und Buße auf die Bühne.

Düsseldorf. Der Tanz macht es deutlich: Die beiden jungen Menschen, anmutig in Weiß gekleidet mit roten Schärpen um die Taillen, sind einander innig zugetan, in mehr als geschwisterlicher Liebe. Denn "unser beider ist niemand wert", so kommentiert der Erzähler ihre Empfindung. Ein Satz aus Thomas Manns Roman "Der Erwählte", der auf die mittelalterliche Legende von Gregorius zurückgeht, die Hartmann von Aue als erster festhielt.
Das Theater der Klänge wählte diese Geschichte um Inzest und Sühne als Vorlage für seine zweite Produktion mit dem Ensemble für alte Musik "Estampie". Nach "Ludus Danielis" ein neuer ästhetischer Ausflug ins Mittelalter: wieder gelingen Jörg U. Lensing und seinem Team ein beeindruckender Bilderreigen, verwoben mit der wunderschönen Musik von Estampie. Gespielt wird im Theatersaal der Rudolf-Steiner-Schule in Gerresheim, passend mit seinem zeitlos-entrückten Ambiente. Neben der Bühne sind die Instrumente von Estampie aufgebaut, so kann man Michael Popp, Ernst Schwindl und Sigrid Hausen zusehen, wie sie ihre Fiedel, Tamburine, Glockenspiele zur Hand nehmen, und kann auch mit-hören, wenn ihre Musik von Computerklängen (Thomas Neuhaus) verfremdet oder übertönt wird.
Eine geteilte Aufmerksamkeit ist gefragt in dieser Aufführung, die mit ihrer raffinierten epischen Struktur eine mittelalterliche Tradition aufgreift: Ein Spielmann erzählt die Geschichte und zeigt Bilder dazu. Clemente Fernandez stellt sich als "Geist der Erzählung" vor und berichtet in wechselnden Rollen von den wundersamen Begebenheiten: Wie das Kind der verbotenen Geschwisterliebe ausgesetzt wird, wie ein Fischer es findet und aufzieht, wie ein Abt dem Jüngling die Elfenbeintafel mit dem Geheimnis seiner Herkunft übergibt, wie Gregorius als strahlender Ritter eine schöne Herzogin aus dem "Minnekrieg" vor widerlichen Bewerbern errettet und selber freit. Sie aber erweist sich als seine Mutter. Beide ziehen sich zur Buße zurück, Gregorius auf einen Stein im Wasser, wo er als eine Art ausgetrockneter Igel überlebt, bis ihn aus Rom der Ruf zum Papst erreicht: Er ist der Erwählte!
Wie Bilder und Texte sich ergänzen, wie die Stimmung von anrührendem Pathos in Ironie umschlagen kann, das ist äußerst anregend, nur leidet die Verständlichkeit zuweilen unter der angestrengten Stimme Fernandez`, der allerdings bravourös von einer Rolle in die andere springt.
Weil die Stadt Düsseldorf dem Theater der Klänge fast ein Drittel seiner Zuschüsse gekürzt hat, muss die Produktion mit nur fünf Darstellern auskommen. Die Tänzer Jelena Ivanovic, Alice de Souza Singer, Nicholas Mansfield und Matthias Weiland überzeugen sowohl in zarten Bewegungen als auch in zwei hinreißenden Kampfszenen. Weiland (Kardinal) zeigt auch darstellerische Begabung, Alice de Souza bricht ebenfalls einmal ihr Schweigen und betet als Herzogin flehend um Vergebung in Portugiesisch. Wenn die Sängerin Sigrid Hausen in dieses Gebet einfällt, ergibt das einer jener wunderbaren Zusammenklänge, die den besonderen Reiz des Abends ausmachen.

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Eva Pfister
Westdeutsche Zeitung
 
 
Gregorius
Der Weg zum Papststuhl war steinig: «Gregorius, der heilige Sünder» - so überlieferte Hartmann von Aue die Legende im 12, Jahrhundert = teilte sein Schicksal mit Moses und Oedipus, bevor er zum Nächsten berufen wurde: Als inzestuöser Sprössling herzoglicher Geschwister ausgesetzt, erzogen in der Obhut eines Abtes, macht der Knabe sich auf, seine Eltern zu suchen. Die Minne zur unglücklichen Herzogin, in der er seine Mutter erkennen muss, treibt Gregorius zur Buße auf einen Stein, bis ihn der Ruf aus Rom erreicht. Ein Stoff, der Thomas Mann zu dem Roman «Der Erwählter trieb, Das Theater der Klänge in Düsseldorf, das sich gern abseitiger Sujets annimmt, formte aus der Literatur und mit dem auf alte Musik spezialisierten Ensemble Estampie ein vitales, traditionelles Erzähltheater mit dem Titel Gregorius auf dem Stein, uraufgeführt im Theater der Rudolf: Steiner-Schule: Wunderbarer, mittelalterlicher Gesang und alte Instrumente zaubern einen Kraftbogen, der die epische Struktur trägt. Schöner noch wäre es gewesen, hätten die Künstler mehr dazu getanzt als nur gegen den Klang angesprochen.

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Bettina Trowborst
Ballettanz
 
 
Aus dem Geist der Musik
"ich bin Fels gewordenes Wort und Wort gewordenes Wasser, vor wehenden weißen Tüchern hockt ein schwarzmundiger, in Fetzen gehüllter Mann, in seiner Hand ein kleines Glöckchen über großer kupferner Schale: Er ist "der Geist der Erzählung", einer aus Frankreich stammenden, zu nächst mündlich überlieferten Legende, im.12. Jahrhundert durch Hartmann van Aue niedergeschrieben, 1945 von Thomas Mann für seinen Roman "Der Erwählte" wieder aufgenommen. Gemeinsam mit dem Musikensemble Estampie aus München hat das Theater der Klänge diese Geschichte eines christlichen Ödipus zum Klangereignis mit alten Instrumenten, altfranzösischem Gesang (Sigrid Hausen) und elektronischen Transformationen (Thomas Neuhaus) werden lassen. Gregorius ist der "Erwählte". Von Herzogskindern, Bruder und Schwester, inzestiös gezeugt, wurde er ausgesetzt, von einem Fischer entdeckt und aufgezogen. Seinem ödipalen Schicksal aber konnte er nicht entgehen, In die Welt ziehend, verliebte er sich und ehelichte seine eigene Mutter, Die Sünde zu spät erkennend, floh er auf einen einsamen Felsen, umgeben von Wasser, um zu büßen. Erst siebzehn Jahre später wurde er entdeckt. Seine Gestalt hatte alles Menschliche verloren, dennoch führten ihn zwei Geistliche - einer göttlichen Prophezeihung folgend – als Papst nach Rom, wo er fortan in Gnade und Milde herrschte. In langen Monologen, suggestiv intoniert oder rhythmisch gebrochen, erzählt das Theater der Klänge die mittelalterliche Legende.
Das schöne Konzept bleibt jedoch Reihung, Nummernrevue.. Bestechend, sind Bilder und Stoffe, eine Augenweide die Kleider (Caterina di Fiore), zu groß aber die Gesten, zu symbolträchtig die Figuren, zu inbrünstig die Stoßseufzer, um zu berühren, Und: Die einzelnen Stationen des geistlichen Spiels, die Kampfkunst, der Tanz, die Rezitation bleiben isoliert. Kein Ganzes entsteht. Erst gegen Ende des über zweistündigen Abends (Regie: Jörg U. Lensing) wird die Erzählung zum dialogischen Theater-und entwickelt sich zeitgleich zum Klamauk. Unterhaltsamer wird’s, mit Mann und von Aue aber hat's nicht mehr viel zu tun. Der "Geist des Abends" bleibt die Musik: die wundersamen Klänge von Estampie, Drehleier, Laute, der-helle Gesang von Sigrid Hausen, könnten noch so manchen in den schönen Theatersaal der Rudolf-Steiner-Schule (Diepenstraße 15) locken. Deren Gelände übrigens alleine schon die kleine Reise nach Gerresheim wert ist.

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Ruth Heynen
NRZ
 
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