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Presse |
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Spiele hinter Spiegeln |
Ein schweres Thema, federleicht in Szene gesetzt von Choreografin Jacqueline Fischer.
Vier Gestalten in Schwarz schwirren durch einen düsteren Raum. Mal mit Kerzen oder Leuchten gehen sie auf die Suche. Meist aber tragen sie Masken oder Spiegel vor ihren Gesichtern. Zwei Männer und zwei Frauen - dekoriert mit Papierbilder ihrer eigenen Porträts, dann wieder kleben die Konterfeis der anderen Tänzer auf ihrer Nase. Und so wird unvermittelt aus einer Frau ein Er, aus einem Mann eine Sie und umgekehrt. Allmählich versteht der Betrachter, dass es hier nicht nur um Verwandlung, das Urthema des Theaters, sondern ebenfalls um die Urfrage des Menschen geht: Wer bin ich?
Er, sie, es - oder auch "Ich ist ein Anderer": Ausgehend von diesem Zitat aus einem Gedicht von Arthur Rimbaud entwickelt das "Theater der Klänge" einen hintergründigen Tanzabend, der geschwind und leicht über die Bretter weht. Wenn der Titel des Stücks - und das Programmheft - auch Gedankenschwere vermitteln, so gelingt es Jacqueline Fischer doch, leichtfüßige Impressionen über die Rampe zu bringen. Die Choreografie sprüht vor Witz, Temperament und leichter Ironie und wirft dennoch existenzielle Fragen auf.
Apart sind die Sequenzen, in denen sich digitale Phantombilder, die die Polizei zur Verbrecherjagd einsetzt, langsam verändern, ineinander verschwimmen. Die Konterfeis der Darsteller führen vor, wie die Computerwelt unsere Wahrnehmung beeinflusst - aus alt wird jung, aus Mann wird Frau, aus gutmütigem Strahlen hinterhältiges Grinsen. Eine neue Identität per Mausklick. |
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Michael-Georg Müller |
Neue Rhein Zeitung |
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Das Ich durchleuchten |
Eine Fotoausstellung im Foyer deutet bereits das Thema des Abends an: Portraitfotos unterschiedlicher Charaktere hängen an der Wand. Bei genauem Hinsehen erkennt man, dass es sich nur um fünf verschiedene Menschen handelt. Anders frisiert und geschminkt wirkt es aus der Ferne, als handle es sich um mindestens vierzig verschiedene Personen. Wieso bin ich so, wie ich bin? Und wie wäre ich, wenn ich ganz anders wäre? Dies sind Fragen, die sich das Ensemble von ,,Theater der Klänge" unter der Regie von ]aqueline Fischer in ihrer neuen Produktion gestellt haben. ,,Ich ist ein anderer" feierte nun im Forum Freies Theater Premiere. Im Theatersaal ist das Licht düster. Rollende Spiegelinstallationen sind vor dem Publikum aufgereiht. Eine Videoleinwand hängt im Hintergrund. Rechts daneben sitzen drei Musiker. Der Spiegel als wichtigstes Element, um seine eigene Oberfläche betrachten zu können, spielt im Verlauf des Stücks eine tragende Rolle. Ständig stehen die Tänzer davor,. betrachten sich, stylen sich, versuchen ihr Selbst zu erkennen. Sei es vor den großen Spiegelinstallationen oder mit Hilfe kleiner Spiegel, mit denen sie jedes einzelne Körperteil gründlich untersuchen. Mit Taschenlampen probieren sie Licht in das Dunkel der eigenen Persönlichkeit zu bringen. Akribisch versuchen sie sich zu durchleuchten, immer auf der Suche nach einem inneren Kern. Auch Fotomasken ihrer eigenen Gesichter kommen wiederholt zum Einsatz. Damit lässt sich ein wunderbar verwirrendes Spiel spielen: Vertauscht verfremden die Gesichter die Körper, auf die sie eigentlich gar nicht gehören. Frauenkörper tanzen mit männlichen Gesichtern. Männerkörper bewegen sich weiblicher mit Frauengesichtern. Ein drittes Element ist eine kleine Babypuppe. Bitterkomisch, wie Catalina Gomez versucht, der kleinen Puppe das Gehen beizubringen, und sich zwischendurch kleine Gemeinheiten überlegt, sie fallen lässt oder zu hoch wirft, so dass sie hart aufprallt. Dabei lacht sich Gomez schadenfroh kaputt. Atmosphärisch unterstützen die exzellenten Live-Musiker (Bassem Hawar, Donja Djember, Michael Sapp) diese Bilder. Mit ihren wundervollen Instrumenten (unter anderem Violine, Violoncello, Akkordeon, Harmonium) bewegen sie sich musikalisch zwischen Tango und abstrakten sphärischen Klängen. Insgesamt findet das Ensemble eine große Vielfalt an Bildern. Gegen Ende hätte man jedoch einen schnelleren Schlusspunkt setzen können. Ideen wiederholen sich und mehrmals entsteht das Gefühl: Dies wäre ein guter Abschluss. Nebenbei bemerkt scheint die Frage: ,Wer bin ich?" zur Zeit hohe Aktualität zu besitzen. Katja F. M. Wolf zeigte im November letzten Jahres eine Voraufführung ihrer neuen Produktion ,,Black Mirror Solo" zum gleichen Thema – mit ähnlichen ldeen wie in ,,Ich ist ein anderer". |
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Stephanie Becker |
Rheinische Post |
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Schöner Tanz ums ich |
Die Inszenierungen des Theaters der Klänge erschöpfen sich nicht in bloß technisch gewagten Konstruktionen mit trockenen Titeln, entstammen also nicht der Retorte des Tanz-Laboratoriums. Für "Ich ist ein anderer" hat sich die Formation zur Premiere im FFT mit allen schillernden Attributen, viel Bewegung und einer Überdosis Klamauk dem Thema "Identität" gewidmet. Dieses Thema ist ein weites Feld, könnte bei der Psychoanalyse beginnen und der Funktion von Neurotransmittern enden. "Ich bin nämlich eigentlich ganz anders", trägt Jose Fernando Andrade- Lopez, einer der vier Darsteller, vor. "Leider komme ich nur selten dazu, so zu sein." Mit Masken und Multimedia wird nach dem Sein geforscht .Mit allen Mitteln der multimedialen Kunst und eigens hergestellten Masken versucht das Ensemble, neben Jose Fernando Andrade-Lopez gehören Catalina Gomez, Francesco Pedone und Hana Zanin dazu, die Frage nach dem Charakter einer Person zu ergründen. Was bedeutet es, Ich zu sein? Historisch vorgefundenes Bewegungs-Material, den Pas de deux etwa, funktioniert das Quartett in seinen Rollenspielen zu avantgardistischen Kunsttechniken um. Da wird gehoben und sich gewälzt, folgen elfenhaft leichte Sprünge auf plumpes Trampeln, geben die Damen einen Ringelreihen und die Herren so etwas wie ein Duell. Schnell wechseln die Momentaufnahmen, manche Szenen wiederholen sich, vielleicht auch um zu zeigen, wie Ichs geformt werden oder sich verwandeln lassen. Ein großes Thema bei "Ich ist ein anderer" ist die perfekte Selbstinszenierung und diesen Szenen geben sich die Vier mit besonderer Verve hin. Denn nichts ist in unserer Zeit so wichtig wie der schöne Schein, um dessen "perfekten Sitz" zu überprüfen bedarf es der permanenten Anwendung glitzernder Spiegel. Die Reflektion dient dabei allein der Hülle. Was sich darunter verbirgt, am Ende gar ein völlig verzagter Mensch, dieses Problem lässt sich damit noch lange nicht lösen. Aber doch perfekt kaschieren. Beispielsweise mit Masken, hinter denen sich allerlei verstecken lässt. Voller Lust stürmt das Quartett mit Musik durch seine Szenen, arbeitet mit wie bei der rhythmischen Sportgymnastik üblichen Bändern,die hier am Ende einen flackernden Lichtpunkt haben und sorgt mit dem Wechsel zwischen Licht und Schatten für Unterhaltung. Eine wichtige Funktion haben verspiegelte Boxen, durch die das Quartett schön schreitet oder die sich optimal dazu nutzen lassen, sich selbst oder ein Ich, das einem gerade nicht genehm ist,zu verbergen. Jacqueline Fischers Interpretation von den zivilisatorischen Abgründen, Ich und Über-Ich oder den so genannten Soft-Skills, ist ein munteres Spiel, dessen einzelne Ideen nicht immer neu sind (beispielsweise den Spiegel so zu halten, dass der Kopf des Gegenübers auf dem eigenen Torso zu ruhen scheint - das kennen wir seit "Performance"), aber durchweg unterhalten. |
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Valeska von Dolega |
WZ |
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