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hoppla, wir spielen noch
Gestern Abend feierte die Produktion "Hoppla, wir spielen noch" von J. U. Lensing und dem @theaterderklaenge Premiere in der @komoedieduesseldorf. Unsere Autorin @simonesaftig war dabei:

Was passiert, wenn sieben Schauspieler*innen nach 18-monatigem Spielstopp auf die Bühne zurückkehren, um die Kunst zu feiern? Für dieses Comeback hat das Theater der Klänge ein eigenes Genre erfunden. Die "Relevanz-Revue" hält, was sie verspricht. In einer Musiktheater-Collage entladen die Performer*innen auf der Bühne ihre Kreativität, verarbeiten mit Witz und Charme Erfahrungen im Lockdown und bringen vor allem die Liebe zum Theater zum Ausdruck, so zum Beispiel in der Performance ihrer Knef-Adaption "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Theater eingestellt".

Der Abend ist ein bunter Mix aus Choreografien mit Elementen aus Jazzdance, Jive, Charleston und Hip-Hop, selbstgeschriebenen Chansons und fragmentarischen Theaterszenen mit bekannten Zitaten von Brecht bis Shakespeare. Im Stil von Kabarett-Revuen der 1920er Jahre verhandeln die Performer*innen die Frage nach dem Wert von Kunst in Anbetracht der Pandemie. So entsteht eine Choreografie aus der neubekannten Ellenbogenbegrüßung, ein Performer verwandelt sich tänzerisch zum Roboter, während Siri über Kunstprodukte künstlicher Intelligenzen spricht, und eine Ballerina tanzt zum lang vermissten Applaus.

Gespickt werden die musiktheatralen Elemente mit Ausschnitten aus bekannten Dramen und Wissenssnacks rund ums Theater, so etwa zur Geschichte vom Bühnenlicht. Doch die schönsten Momente entstehen, wenn die Schauspieler*innen Anekdoten aus ihrer Laufbahn erzählen oder ihre Spontaneität bei der Beantwortung von persönlichen Fragen aus dem Publikum unter Beweis stellen, das immer wieder in die Performance einbezogen wird. Die Atmosphäre des ungezwungenen Miteinanders ist das Besondere an dieser Produktion, die frei, bunt und kurzweilig ist, das Theater feiert und defnitiv für Ohrwürmer sorgt.

Simone Saftig
https://www.instagram.com/p/CcqOSBss-d4/
 
 
Jammern ist keine Lösung
Seit 1962 gibt es die Komödie an der Steinstraße in Düsseldorf. Bis heute ist es Boulevardtheater und hat sich einen Ruf erworben, weil hier regelmäßig bekannte Film- und Fernsehschauspieler auftraten. Die Spielstätte gehört zu den schönsten Theatern mindestens in Düsseldorf.

Ein paar Meter von der Berliner Allee, kaum einen Steinwurf von der Johanneskirche entfernt, orientiert man sich eher an der zugehörigen Gastronomie Affenbar, um den unscheinbaren Eingang zu entdecken. Dann geht es ins Souterrain, wo einen ein schnuckeliges Foyer von gerade mal knapp 90 Quadratmetern empfängt. Von hier gelangt man in das plüschige Parkett, über eine Treppe geht es nach oben in den Rang. Hier atmet man den Hauch der Vergangenheit, auch wenn die Technik immer auf dem Stand der Zeit blieb. Inzwischen nagt der Zahn der Zeit an dem Theater, aber von seinem Retro-Charme hat es nichts verloren. Viel Zeit, das gemütliche Theater zu bestaunen, bleibt allerdings nicht mehr. Die Komödie hat es beinhart erwischt. Erst gerieten die Finanzen ins Schlingern, dann wurde bekannt, dass das Haus von einem Hamburger Investor aufgekauft wurde, um dort ein Hotel zu bauen. Inzwischen scheinen sich die Wogen wieder etwas geglättet zu haben. Von Rücklagen ist man in dem Betrieb, der inzwischen in eine gemeinnützige Gesellschaft überführt wurde, noch weit entfernt, aber immerhin ist mit dem Capitol an der
Erkrather Straße, gleich neben dem Tanzhaus NRW, eine neue Spielstätte gefunden. Auch aus Sicht der Stadt eine glückliche Lösung, wird doch damit die Kultur am Hauptbahnhof weiter gestärkt. Wie zu hören ist, gibt es wohl Überlegungen seitens des Investors an der Steinstraße, ob in das Hotel ein neues Theater
integriert werden kann.

Bevor aber die Zukunftsmusik zu laut wird, hat sich das Theater der Klänge mit einem neuen Programm im Theater an der Steinstraße einquartiert. Es hätte keine passendere Spielstätte finden können. Denn Jörg U. Lensing will mit seinem Ensemble eine "Relevanz-Revue" im Stil der Kabarett-Revuen der 1920er Jahre vorstellen. Besser hätte hier wirklich nur noch eine Berliner
Kneipenbühne gepasst, falls es die überhaupt noch gibt. Aber in Düsseldorf gibt es die natürlich nicht. Und so ist der Spielort einfach nur entzückend.

Seit 1987 gibt es das Theater der Klänge als Musik- und Tanztheater, seit 1991 hat das Theater Probenräume,
Werkstätten und Verwaltung im Stadtteil Pempelfort. Für seine
Produktionen sucht es sich jeweils passende Aufführungsorte, wenn es nicht zu Gastspielen eingeladen ist. Ein
Modell, das bis Corona prima funktionierte. Auch an Lensing ist die Pandemie nicht spurlos vorbeigegangen. Größer als der finanzielle Schaden war wohl der seelische. Von der Relevanz des Theaters aus tiefstem Herzen überzeugt, plötzlich erfahren zu müssen,
dass die Kultur für die Regierung so ziemlich das Unwichtigste in Viren-Zeiten ist, Auftrittsverbote und Existenzvernichtung als völlig selbstverständlich behauptet werden, hat den Theatermann und sein Team im Knochenmark getroffen. Aber Jammern ist keine Lösung. Da liegt es näher, mit dem Programm Hoppla, wir spielen noch das eigene Verständnis von Theater noch einmal zu überprüfen – am liebsten choram publico. Was trocken klingt, fängt auch erst mal recht schwerfällig an.

Die Bühne ist einfach gestrickt. Ein weißer Lappenvorhang im Hintergrund wird mit künstlerischen Projektionen beschickt, Markus Schramma spielt viel mit dem Licht und ein paar Requisiten besorgen den Rest. Caterina Di Fiore hat für die Darsteller jede Menge Kostümwechsel vorgesehen, die teils der Fantasiewelt des Theaters, teils der Gegenwart der Darsteller entspringen. Jacqueline Fischer sorgt, oft in Zusammenarbeit mit den Darstellern, für kleine, aber edle Choreografien.
Manuel Rittich eröffnet als Conférencier den Abend. Der Text ist ordentlich vorgetragen, soll das Publikum schon mal auf gute Laune einschwenken. Weil verfrüht, verpufft ein gut Teil der Wirkung. Geschenkt. Die Reise ins Theater nimmt zügig Fahrt auf. Und die Themenwechsel lassen keine Langeweile aufkommen. Mein erster Theaterbesuch, meine erste eigene Rolle, meine aufregendste Rolle, warum ich zum Theater gekommen bin, welchen Aberglauben es bis heute im Theater gibt – das vermischt sich mit berühmten Theaterzitaten von Shakespeare bis Brecht und Geschichten aus der Geschichte des Theaters. Stella Göke gelingt es auch an diesem Abend glücklicherweise nicht, überzeugend als Nilpferd aufzutreten, obwohl das eine Aufgabe in ihrem Ausbildungsgang war, Jacqueline Krell und Sophia Otto legen einen großartigen Tanz mit Tischen hin, Manuel Jadue liefert einen spannenden Vortrag über Theaterbeleuchtung, wenn er nicht gerade das Ensemble mit seiner Harmonika unterstützt. Rafael Svarin bringt einen der größten Monologe der Theatergeschichte zu neuem Glanz. Und irgendwo mischt ständig Christian Paul mit.

Es ist ein wunderbares Panoptikum, das nicht nur den Sehnsuchtsort Theater ständig neu belebt, sondern auch die vielen Facetten dieses Ortes beleuchtet. Tanz, dramatisches Schauspiel, biografische Erfahrungen, Athletik, Zauber – unablässig gibt es hier Neues zu entdecken, das mal lustig, mal
nachdenklich daherkommt. Die Musik stammt zu großen Teilen von
Michael Scheibenreiter. Die gesungenen Texte haben Lensing oder die Darsteller verfasst, wenn es sich nicht um
Bearbeitungen handelt. Das ist so gelungen, dass aus elf Nummern gleich ein Album entstanden ist, dass bei den kommenden Aufführungen erworben werden kann und mit Sicherheit eine lohnende Anschaffung ist, sei es als Erinnerung, sei es, weil man sich hier selbst noch einmal seine ganz eigenen Gedanken zum Theater machen kann.

Hoppla, wir spielen noch ist keine Dauerklage darüber, wie viel besser früher alles war, sondern eher eine vielschichtige Bestandsaufnahme, was bis heute alles so passiert ist. Das ist unterhaltsam bis nachdenklich. Die Darsteller befeuern das Geschehen mit Textsicherheit und Spielfreude. Herrlich. Wer
sich auf diese bisher in dieser Form noch nicht dagewesene Revue – und natürlich auf das wunderschöne Theater an der Steinstraße – einlassen will, muss sich beeilen. Vier Aufführungen gibt es ab dem 21. April, und die Plätze sind immer noch beschränkt.

Michael Zerban
https://o-ton.online/aktuelle_auffuehrung/o-ton-duesseldorf-
 
 
Heiteres Alphabet des Rampenlichts
Das Theater der Klänge feierte Premiere seiner neuen Produktion "Hoppla, wir leben noch" in der Komödie an der Steinstraße. Der Abend nennt sich "Relevanz-Revue".

Im Foyer hängen Plakate mit der Aufschrift "Letzte Runde". Das klingt nach Abschied. Auf die Bühne der Düsseldorfer Komödie an der Steinstraße tritt dann ein Conferencier. Er berichtet von der anstehenden Schließung dieses Theaters, das wohl an einem anderen Ort auferstehen soll. Für den Abend selbst aber verkündet er einen großartigen Neubeginn. Mit einer Kabarett-Revue im Stil der 1920er Jahre will man feiern, dass auch das Theater der Klänge seinem Publikum wieder live begegnet.

"Hoppla, wir spielen noch" ist der Titel des zweistündigen Abends, der sich "Relevanz- Revue" nennt und den man am Wochenende noch in vier weiteren Vorstellungen erleben kann. Es geht um so ziemlich alles, was man mit einem Theaterbesuch verbindet. Die acht Mitglieder des Ensembles präsentieren in schnellem Wechsel ein Alphabet der Darstellenden Kunst. Kurz nach der Pause ist man bei K wie Kaktus angelangt, also natürlich bei "Mein kleiner grüner Kaktus".

Vorher aber wird viel getanzt, gelacht, sogar gebildet. Ja, gebildet, denn die entscheidenden Zitate aus Stücken von Brecht, Büchner oder Beckett, mehr noch aber von Goethe oder Shakespeare werden nicht wenige Zuschauer auf dem heimischen Sofa noch einmal nachschlagen wollen. Die von Jörg U. Lensing (Texte) und Jacqueline Fischer (Choreografie) erstellte Revue lässt aber vor allem dem Ensemble alle Möglichkeiten, sich nach langer Enthaltsamkeit wieder an das Rampenlicht zu gewöhnen.
Auch mit Erinnerungen an die ersten Schritte im eigenen Theaterleben. Als Schildkröte auf der Kindergarten-Bühne. Oder als Nilpferd an der Schauspielschule. Anekdote reiht sich an Anekdote, dazu eine Prise Jonglage und Zauberei. Nicht alle Nummern sind der Knaller, es zählt die Freude am eigenen Spiel. Dazu gehört auch die Frage, wie es weitergehen könnte mit den durch Corona entstandenen Begrüßungsritualen. Rückkehr zum Händeschütteln, das geht ja wohl gar nicht. Nach Faust und Ellbogen sind vielmehr neue Körperstellen gefragt, anything goes. Bei dieser lustigen Einlage kommt Ententanz- Nostalgie auf.
Seriöser ist dann Lensings Blick in die Zukunft des Theatermenschen. Hierzu bedient er sich bei dem israelischen Historiker Yuval Noah Harari. Dieser skizziert in dem Sachbuch "Homo Deus"ein dystopisches Zukunftsbild: dass wir angesichts der neuen technischen Möglichkeiten einen Hominiden konstruieren werden, der alles besser kann als wir. Auf der Bühne verwandelt sich derweil Christian Paul in einen tanzenden Roboter.

Zum Abschied der Revue geht es um "Applausträume". Bei der Premiere zeigte sich das Publikum für die Klatschkaskaden bestens gestimmt. Seit 35 Jahren existiert das von Jörg U. Lensing gegründete Theater der Klänge mit Werkstatt und Probebühne in Pempelfort. Das Ensemble erarbeitet in der Regel jedes Jahr eine neue Produktion, die dann deutschland- und sogar weltweit auf Tournee geht.

www.theaterderklaenge.de

Claus Clemens
Rheinische Post
 
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