Die barocke Maskenbühne
 
Menschen wie Pilze und andere Kobolde
Das Theater der Klänge, eine freie Theatergruppe aus Düsseldorf, hatte "Die barocke Maskenbühne" als ein Gesamtkunstwerk aus Tanz, Sprache und Musik angekündigt. Das zeugt von großem Selbstbewußtsein. Doch die Vorpremiere im Zakk löste die hochgesteckten Erwartungen weitgehend ein. Das Verblüffende daran: das Neue dieses Theaters hat mit den Trends des Zeitgeistes nichts im Sinn.
Wie schon bei ihrer ersten Bühneninszenierung, der "mechanischen Bauhausbühne" , geht das Theater der Klänge vielmehr den umgekehrten Weg. Es schaut sich in der Vergangenheit um und fördert Theatervorlagen zutage, die nie zuvor realisiert wurden. Regisseur Jörg U. Lensing bringt Stücke heraus, die mal 60 (Bauhausbühne), mal 200 Jahre (Maskenbühne) auf ihre Premiere warten mußten. Das, was dann auf der Bühne so fremdartig und bizarr wirkt, als komme es aus der Zukunft, sind in Wahrheit phantastische Ideen aus tiefster Vergangenheit.
Kuriose Einfälle, deren der Tänzer Georgio Lambranzani unzählige hatte. In seiner "neuen und curieusen, theatralischen Tantz-Schul" aus dem Jahre 1776 zeichnete er einhundert Vorlagen für burleske Szenen, groteske Tänze, wundersame Begegnungen zwischen Menschen, die wie dicke Pilze aussehen und Frauen, die mit Holzlöffeln nicht kochen, sondern tanzen. Regisseur Lensing, Bühnenbildner Jürgen Steger und Kostümbildner Janina Mackowski erwecken nun 24 dieser Szenen auf einer prachtvollen, ganz mit rotem Brokat geschmückten Bühne zum Leben. Spielemacher ist der eitle Lambranzi (Jörg Balschun) höchstpersönlich. Ganz im Stil des Barock möchte er imponieren, doch allerhand Pannen und die ulkigen Typen der Comedia dell'arte mit ihrer Lust am Blödsinn machen ihm einen dicken Strich durch die Rechnung..
Vor ständig wechselnden, kunstvoll bemalten Prospekten von italienischen Landschaften, in wunderschön gearbeiteten Kostümen weckt das Theater der Klänge Erinnerungen an alte Theatertugenden. Es ist ein Fest für Sinne, es wird gespielt, getanzt, Quatsch gemacht und nach Herzenslust übertrieben geschauspielert, daß die Holzbühne wackelt. Aber Geschehen ist ältester Bühnenfundus; sind standardisierte Szenen, von betrunkenen Ehemännern und bösen Ehefrauen: im Rausch des Typentheaters.
Und an dieser Stelle fragt man sich, plötzlich, ob das"Theater der Klänge" nicht Gefahr läuft, perfektes Ausstattungstheater mit Musike zu betreiben. Wofür Laienspielgruppen Kritik einstecken müßten, wird hier vom Glanz des Gesamtkunstwerks überstrahlt.

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Harald Hordych
Westdeutsche Zeitung
 
 
Biograph
Das erweist sich als wahrer Augen- und Ohrenschmaus. Stilvoll bis ins Detail geht es auf der knallroten Wanderbühne zu, in einem bunten Feuerwerk von deftigen Späßen, stillen Pantomimen und lustigen Pannen, mit Harlekinaden, Narren, Venezianern, sowie weiteren komischen Figuren. Ohne eine zusammenhängende Geschichte wird man hier zwei Stunden lang nach bester Commedia dell'Arte Manier auf das vergnüglichste unterhalten. Lambranzis barocke Ideen erweisen sich als sehr lebensfrisch - dank einer Truppe überaus talentierter Theaterleute und einer üppigen Ausstattung, wie man sie in dieser Pracht bei einem freien Ensemble kaum erwartet hätte.

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Rheinische Post
 
 
Gaukler alter Zeit
Die Kostüme bunt, die Tänze mal scherz - und mal ernsthaft. Und die Schauspieler sind zu allen
Späßen aufgelegt. Was prächtige Vorstellungen, dichte Atmosphäre und große Erfolge verspricht _
das ist beim preisgekrönten Ensemble vom "Theater der Klänge" auch im neuen Stück um "Die barocke
Maskenbühne" wieder geboten. Im Theater im Malkasten fand die engagierte Truppe aber
unverdient zögernden Beifall.
So mag Theater gewesen sein - im Jahre 1716, als Gregorio Lambranzi "Die neue und curieuse, theatralische Tantz- Schul" auf der Bretterbühne seiner Gaukler-Truppe darbot.

Der Vorhang knallig rot. Ein Holzpodest, das ewig knarrt und daneben ein paar Musikanten, die im Maske und Umhang auch kleine Rollen übernehmen: Der Theatertruppe als Großfamile war eine Trennung von Musik und Getanze, von Alberei und Grazie unbekannt. Bestechend, wie diese Mischung hier gelang. Grotesk, wie gespreizt das damals höfische Tanzgebaren wirkte. Bewundernswert die Detailtreue bei Masken und Kostümen, die spürbare Lust in Musik und Bewegung - und erst die Kapriolen von Harlekin Axel Heinrich!
Nur an den Chef der Truppe und Spielleiter in 24 Szenchen- an Jörg Balschun im purpurroten Seidengewand mit Feder am Hut, Lockenperücke und grell geschminkten Lippen – reicht keiner heran. Wie ein Souverän erträgt er die Widerborstigkeit der eitlen Gattin ( Deda Colonna) , die Verträumtheit des jugendlichen Dieners – und daß irgendwo irgendwas garantiert schiefgeht. Ein Vorhang hebt sich plötzlich, eine Figur aus der Vorszene spielt sich nochmal in den Vordergrund oder ein Tanzpaar wirbelt davon und kommt unverhofft zurück Die Faszination, so hatte Jörg Lensing (Choreografie und Inszenierung) betont, vermittle sich hier eher sinnlich, als dröge-in-tellektuell.
Doch die Stimmung der Akteure übertrug sich nicht aufs Publikum. Perfektion und Mühe blieben unbelohnt, denn das Groteske war nicht überspitzt genug , das Lyrische nicht zart genug, die Heiterkeit kaum ansteckend. So gabs auch nach dreistündigem Theaterwirbel bloß artigen Applaus.

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Wulf Kannengieser
Neue Rhein Zeitung
 
 
Wenn der Prahlhans vor den Wölten zittert
Am Bühnenrand brennen Fackeln, die Schauspieler auf dem Holzboden werfen bizarre Schatten auf den tiefroten Vorhang und die Häuserwand dahinter. Die Zuschauer sitzen auf hölzernen Bänken unter Bäumen - das Parkett auf Sand, der Rang auf Rasen. Ein Spektakel der ganz besonderen Art präsentierte das "Theater der Klänge" unter freiem Abendhimmel im Spee'schen Garten hinter dem Stadtmuseum: "Die barocke Maskenbühne". Nach Ideen aus Gregorio Lambranzis" Die neue und curieuse, theatralische Tantz-Schul" von 1716 inszenierte JörgU. Lensing das Stück. Und tatsächlich fühlt sich der Zuschauer in eine andere Zeit versetzt, wenn der Tanzmeister (gespielt von Francesco Russo) höchstselbst durchs Programm führt. Seine Signora Jacqueline Fischer) präsentierte, unter Lambranzis Anleitung, "teils steife, teils gebogene Schritte". Doch immer wieder setzte sie sich über seine Anweisungen hinweg und nahm die Choreographie resolut selbst in die Hand – ganz im Gegensatz zu ihrer puppenhaften Ausstrahlung mit geschwungenen Brauen und den klein geschminktem Mündchen.
Neben höfisch-eleganten Tänzen parodierten die Darsteller in ihren venezianisch anmutenden Masken auch Volkstänze. Einen ganz besonderen führte Pulchinella vor: Beim Saltarello brachte sie erst einmal die drei Musiker auf Trab, verlangte Sambarhythmen, um ihre Können zu zeigen - die (künstlichen) voluminösen Rundungen der kleinen Frau wippten gefährlich.
Nicht nur in dieser Rolle begeisterte Maria-Jesus Lorrio mit energiegeladener Darstellung und komischem Talent die Zuschauer. Die "Tanzstunde" des Signor Lambranzi wechselte sich mit Szenen der italienischen Commedia delàrte ab - und die Figuren sprühten vor Leben und Witz. Zum Beispiel Colombine (Natalie Cohen), die damit fertig werden muß, daß alle Männer ihr nachstellen. Wie der - dümmliche Prahlhans Capitapno Spavento (Kai Bettermann), der auch schon mal vor den Wölfen zittert oder der alte,geizige Kaufmann Pantalone (Clemente Fernandez) und Harlekino (Francesco Russo). Die derben Späße, die sie trieben, paßten perfekt ins Bild einer barocken Wanderbühne, die das Volk belustigen will - zart besaitete Gemüter lachten allerdings etwas gequält.
Wunderschön auch die Kostüme: Vom detailgetreuen - goldbetreßten roten Samtanzug des Lambranzi über stilisierte bäuerliche Trachten bis zu an Oskar Schlemmer erinnernde Kreationen für "Zitrone" und "Orange" reichte die Ausstaffierung der Truppe.
Fazit: Auch die Neufassung (damals spielte die Maskenbühne im Malkastenpark) war ein Erlebnis – hervorragend inszeniertes und gespieltes Theater aus einer anderen Zeit und doch überhaupt nicht unmodern, an einem sinnenfreudigen Ort.

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Monika Idems
NRZ
 
 
Harlekin und Reich-Ranicki
In einem Buch, das 1716 in Nürnberg erschien,beschrieb der venezianische Choreograph und Ballettmeister Gregorio Lambranzi fünfzig zeitgenössische Tänze. Das Werk, die "Neue und Curieuse Theatralische Tantz-Schul", verwendete Jörg U. Lensing für seine Inszenierung "Die barocke Maskenbühne" am Düsseldorfer "Theater der Klänge", die jetzt bei den Heidelberger Schloßfestspielen gastiert (am Sonntag abend, 20.30 Uhr, ist eine letzte Vorstellung). In einer Collage von 18 Szenen wurden die Komponenten Schauspiel, Musik und Tanz zusammengefügt: zu einer Aufführung im Stil jener Zeit, da umherwandernde Berufsschauspieler ihr Können auf Marktplätzen feilboten.
Pate bei der "Barocken Maskenbühne" war die Commedia dell' arte mit ihren Typen. So etwa dem umherschleichenden Pantalone mit seiner vogelartigen Maske und der langen Nase. Ein alter Lüstling ist das, derb und unermüdlich in seinen Annäherungsversuchen beim weiblichen Geschlecht. Gemeinsam mit Harlekino bedrängt er die schöne - hier jedoch zu biedere - Colombine; beide Männer stets darauf bedacht, den anderen in den Hintergrund zu drängen.
Clemente Fernandez in der Rolle des Ballettmeisters Lambranzi und seine Frau (Deda Colonna) verknüpfen die einzelnen Szenen mit ihren Ansagen und Erklärungen zu den Tänzen, geben den lose aneinandergereihten Sequenzen einen Rahmen. Eine durchgängige Handlung kennt die "Barocke Maskenbühne" nicht. Sie lebt vielmehr von der Variation aus Kunststück, Akrobatik, Gags, derben Witzen, Musik und Tanzeinlagen. selbst die Pantomime findet sich wieder.
Auch bei der Sprache ist Vielfalt erlaubt. Französisch vermischt sich mit Italienisch, Deutsch und Englisch. Sprachkenntnisse sind unnötig, wenn Lambranzi seine begriffsstutzigen Darsteller mit "idioto" anschreit oder Pantalone und Harlekino sich "dilettanti" und "primitivo" an den Kopf werfen. Der Witz der Situation lebt von der Plötzlichkeit, mit der diese Wörter aus dem Schwall der fremden Sprache hervortreten.
Regisseur Lensing bedient sich freilich zuweilen aus zu vielen Töpfen. So zitiert Lambranzi aus einem Buch und imitiert dabei Marcel Reich-Ranicki, an anderer Stelle kalauert ein Darsteller auf Kölsch. Der Witz bleibt da auf der Strecke.
Das bunte Spektakel kam in Heidelberg gut an: Langanhaltender Applaus nach dem Finale, das die Komplexität des Theaters durch das Nebeneinander aller Darstellungsformen nochmals hervorhob. Bedauerlich, daß die "Barocke Maskenbühne" wegen des schlechten Wetters nicht im Freien aufgeführt werden konnte. Dem Stück hätte die Kulisse des Schloßhofes hervorragend gestanden. Daß die Bühne trotzdem draußen aufgebaut wurde, war nicht nur unverständlich, sondern auch ärgerlich. Erst nachdem aus dem Nieselregen dicke Wassertropfen wurden, zog man eilig in den Königssaal um, die Vorstellung begann mit über dreißigminütiger Verspätung. Improvisation hin, Stegreifbühne her -das optimistische Hoffen der Veranstalter auf besseres Wetter war fehl am Platz.

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Karin Landau
Mannheimer Morgen
 
 
Kampf der Geschlechter
Oft hat das Theater der Klänge nun schon seine "Barocke Maskenbühne" aufgeführt. Aber das Stück, das im April 1989erstmalig zu sehen war, hat nichts von seinem Reiz verloren. Das inzwischen zum viertenmal variierte Drama ist wieder im Theaterhaus zu sehen (Termine: 5., 6. und 9. -12. September, 20 Uhr, Prinz-Georg-Straße). Ausgehend von der barocken Vorlage "Die neue und curieuse, theatralische Tantz-Schul" von Gregorio Lambranzi läßt die Truppe von Jörg Lensing auf beeindruckende und vor allem höchst amüsante Weise das Theater des 18. Jahrhunderts wieder aufleben.
Getreu der Zeit, in der man noch nicht in die Sparten Ballett, Oper und Sprechtheater unterteilte, vereint die "Barocke Maskenbühne" alle Bereiche zu einem Feuerwerk der darstellenden Kunst. Musik, Tänze, Pantomimen, Harlekinaden und Maskenspiele gehen fließend ineinander über. Auch die Musiker spielen mit, sind sie doch Teil der Theaterfamilie, so wie sie im 18.Jahrhundert noch existierte.
Das Theater der Klänge zeichnet ein Sittengemälde des spätbarocken Bühnengeschehens. Und das ist alles andere als verstaubt und vor allem sehr variationsreich. So zeigen die beiden Choreographinnen Deda Colonna und Jacqueline Fischer nicht nur die Volkstänze, sondern auch die adelige Tanzkultur des Barock. Eine Verbindung, die sich auch im Bühnenbild wiederfindet. Es vereint Elemente der Jahrmarktbühnen mit dem Kulissenzauber des höfischen Theaters. Was Jürgen Steger (Bühne) und Stefan von Borstel (Kulissen) da im Licht von Kerzenleuchtern präsentieren, ist beeindruckend wie die Masken und die aufwendigen Barockkostüme, die Janina Mackowski entworfen hat.
Daß sich dieses Theater nicht im perfekten Dekor erschöpft, ist nicht zuletzt der Spielfreude der hochbegabten Truppe zu verdanken. Die acht Spieler und Tänzer schlüpfen im fliegenden Wechsel in alle Masken der Comedia dell' Arte. Bewundernswert ist, wie genau sie dabei das typisch italienische Temperament dieser alten Theaterform treffen.
Durch die Szenen führen der Tanzmeister Lambranzi (überzeugend neubesetzt mit Clemente Fernandez) und seine Frau (Deda Colonna). In ihrem amüsanten Konkurrenzkampf verkörpern sie, was auch in den anderen Szenen ständig neu variiert wird: den Geschlechterkampf. Selten wird dieses immer wieder moderne Thema mit so leichter Hand präsentiert.

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Renate Bernhard
Rheinische Post (zur Heidelberger Fassung)
 
 
Düsseldorf (Theater der Klänge): «Die barocke Maskenbühne»
Daß ein junges Theaterkollektiv einmal nicht auf den Zeitgeist, nicht auf vermeintliche oder echte Avantgarde setzt, ist eine Seltenheit. In Düsseldorf gibt es seit Mai 1987 das «Theater der Klänge» - Klänge aus Musik, Theater und Tanz-, das genau das Gegenteil betreibt, denn es erforscht Theaterformen der Vergangenheit und sucht sie durch lebendiges Spiel zu vergegenwärtigen. Daß das nicht oder nur wenig museal wirkt, liegt nicht nur daran, daß unverschüttetes, ballastfreies Theater als ursprüngliches Phänomen aus Spiellust und Verwandlungstrieb wieder sichtbar wird, sondern auch an dem Ernst und der Frische,mit denen die meist jungen professionell ausgebildeten Künstler unter der kundigen Anleitung Jörg U. Lensings arbeiten. Man erinnert sich dabei daran, daß früher z. B. Theaterleute wie Barrault und Strehler ursprüngliches Theater (etwa in Molieres «Scapin» und Goldonis «Diener zweier Herren») freilegten.
Das «Theater der Klänge» benutzt für sein Aufführungsmodell «Die barocke Maskenbühne» Ideen aus der 1716 erschienenen Schrift «Die neue und curieuse, theatralische Tantz-Schul» des in Nürnberg ansäßig gewesenen Gregor Lambranzi, der eine Wanderbühne betrieb, über die Dörfer ging, aber wohl auch an Höfen auftrat. Das Düsseldorfer Theaterkollektiv sah darin eine Anleitung gegeben, «Theater als Gesamtcollage über sich selbst und seine Mittel» auszuprobieren.
Aneinandergereiht sind innerhalb einer Rahmenhandlung mit einem nach Barock-Manier gespreizt-gravitätisch ansagenden «Conferencier» 24 Spiel- und Tanzszenen aus dem Arsenal des Barock und Rokoko, der Commediadell'arte und des Jahrmarkt-Theaters. Es gibt reizvollerweise viel Pantomimisches, Höfisches wechselt mit saftigen Volksszenen, wenn z. B. ein Trunkenbold buchstäblich von der Szene gefegt wird oder wenn Harlekin es mit wahren Heularien keifender Weiber zu tun bekommt. Ein Abrakadabra vom Erhabenem, ironisch umzirkelt, Komischem und Groteskem oder, wenn man so will, eine Revue alter Spiel und Tanzelemente. Begleitet, akzentuiert und skandiert wird das Spiel neben der Bühne von vier Instrumentalisten. Mit Bühne (Jürgen Steger), in der Kostümgestaltung (Janina Mackowski), die oft von pittoreskem Reiz ist,und nicht zuletzt mit den Masken nach alter Tradition hat man sich viel Mühe gegeben. Dem Regisseur und Choreographen Lensing (höfische Tänze Deda Colonna) folgt die Tanz- und Spielschar, in der man Talente wittert, mit spürbarer Freude. Viel fröhlicher Beifall.
Bereits zu einem früheren Zeitpunkt hatte sich das «Theater der Klänge» mit einem Objekt im unmittelbaren Vorfeld der Moderne, nämlich mit der Bauhaus-Bühne beschäftigt, das es «ermöglichte, die verschiedensten Theateraspekte experimentell zu erfahren». Als dritte Arbeit ist jetzt ein zeitgenössisches Modell geplant in einer Zusammenfassung von Sprache, Musik, Tanz und Spiel. Übrigens verstehen sich die Leute vom «Theater der Klänge» auf ein fundiertes, auch optisch gewichtiges Programmheft. Mal sehen, ob dieses seriöse Versuchstheater, das auf Grund seiner Mittel natürlich nicht mit Perfektion glänzen kann, ober beeindruckend arbeitet, nicht noch an Breitenwirkung gewinnt. Es wäre nicht unverdient.

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Ralf Trouwbors
Opernwelt
 
 
Farben des Tanzes
Der Abend trägt den schönen Titel "Die barocke Maskenbühne – nach Ideen aus ,Die neue und curieuse, theatralische Tantz-Schul' von Gregorio Lambranzi aus dem Jahr MDCCXVI". Und so opulent, ausgefallen, "curieus" wird er denn auch. Stilvoll und zuvorkommend werden die Gäste am Saaleingang empfangen, Kerzen verbreiten ihr mildes Licht, vier "musici" stimmen die Instrumente, und dann tritt der Tanzmeister und Wanderbühnenprinzipal Lambranzi würdig vor den roten Samtvorhang und führt uns ein in das Gesamtkunstwerk, das nun ablaufen wird.
Wir erleben eine Produktion des Düsseldorfer "Theaters der Klänge", eines freien Ensembles junger professioneller Künstlerinnen und Künstler; die seit zwei Jahren zusammenarbeiten. Ihre Herangehensweise ist keineswegs nostalgisch-schwärmerisch, wie die Eingangsschilderung vielleicht vermuten läßt. Die Gruppe hat sich vielmehr einem systematischen Lernprozeß verschrieben, in welchem sie verschiedene Kombinationsformen von Musik, Tanz und Theaterspiel erprobt. Ihr erstes Projekt, vor einem Jahr, galt der Bauhausbühne: Total maskierte Tänzer, "mechanisches Ballett", zitierende Musik, filmisches Bühnenbild. Nun greift das Ensemble, auf der nächsten Stufe seines Experimentierens, auf das historische Beispiel der barocken Maskenbühne zurück (die obige römische Jahreszahl lautet: 1716). Hier sind, letztmalig in der europäischen Theatertradition, Ballett, Pantomime, Sprache, Musik, Bühnen- und Kulissentechnik zu einem Gesamtkunstwerk vereint. Und tatsächlich stellt Lambranzis in Nürnberg erschienene "Tantz-Schul" mit ihren hundert Kupferstichen samt Noten und Untertexten ein umfassendes und anschauliches Kompendium dieser vergessenen Form von Theater dar. Das Düsseldorfer Ensemble hat gründlich und sorgfältig aus dieser Quelle geschöpft.
In bunter (im wahrsten Sinne des Wortes) Folge erleben wir höfische und Volkstänze, groteske Szenerien, ausgelassene Pantomimen und Harlekiniaden. Signore Lambranzi führt als Zeremonienmeister durchs Programm, nicht immer einverstanden mit den "unschicklichen" tänzerischen Eskapaden seiner stolzen Gemahlin. Die kleinen Pannen einer Wanderbühne und Reibereien unter dem fahrenden Volk sind auf liebenswerte Weise mitinszeniert (sofern sie, jedenfalls die Pannen, nicht ausnahmsweise wirklich passieren, etwa wenn ein Kulissenbild klemmt). Ein junger Eleve stottert bei seiner Ansage herzzerreißend, und der direttore Lambranzi muß manche Stokkung hinter den Kulissen vor seinem Publikum mit altmeisterlichem, gepudertem Charme überspielen. Einmal liefern zwei Bühnenarbeiter ein unbekümmert aus dem Barockrahmen fallendes Intermezzo. Masken und Gewänder sind eine wahre Augenweide - nicht umsonst verzeichnet das Programmheft im "Kleingedruckten" u. a. ein gutes Dutzend Textilfirmen, von denen Unterstützung kam.
Wenn etwas an diesem Abend bei mir Wünsche offengelassen hat, dann die Musik. Eine grundsätzlich sinnvolle Idee ist es, keine alte Originalmusik zu reproduzieren und statt dessen eine neue beizusteuern. Warum es dabei aber über weite Strecken so untänzerisch zugehen muß wie bei den hier verwendeten Kompositionen, leuchtet nicht ein. Vielfach wirkten die Tanzenden von dieser Musik wie alleingelassen. Die "musici" schienen, in die Finessen ihrer Partitur verstrickt, sehr mit sich selbst beschäftigt. Jedenfalls blieb die Musik auf diese Weise ein eher untergeordnetes und skrupulöses dramaturgisches Element, wo sie hätte Lebenselexier des Ganzen sein können. Ich glaube nicht, daß dies am Prinzip der "zitierenden Musik" an sich liegt. Eher hat es wohl etwas mit dem Verhältnis eines Komponisten zur Körperlichkeit und Rhythmik des Tanzes zu tun. Dennoch: Kompliment für die engagierte Gesamtleistung des Ensembles und aller, die an dieser nicht alltäglichen Produktion, vor oder hinter den Kulissen, beteiligt sind.

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O.C.
Die Lerche
 
 
Zuschauer in fremdartige und bizarre Welt entführt
Bad Salzuflen (ps). Farbenprächtige Kostüme und Masken sowie witzige bis groteske Auftritte bot das "Theater der Klänge" mit dem Stück "Die barocke Maskenbühne" auf dem Salzufler Salzhof.
Die Akteure boten barocke Tänze, die einen Überblick über das Spektrum von Volkstanz über höfischen bis zum grotesken Tanz der damaligen Zeit gaben, und dazwischen Szenen der Commedia dell'arte. Durch das Programm führte die Figur des Gregorio Lambranzi. Er wurde immer wieder von seiner tanzwütigen Frau sowie den dreisten Maskenfiguren Herlekino, Pantalone und Pulchinello unterbrochen. Es entstand eine turbulente Collage über barockes Theater. Sie wurde auf einer Wanderbühne mit einer für das Publikum einsehbaren Hinterbühne gezeigt, so daß die Schauspieler beim Schminken und Kostümieren beobachtet werden konnten. Eine eigens komponierte "barocke" Livemusik für drei Musiker an Cemballo, Hanckbrett und Timpani rundete das Spektakel ab. "Die barocke Maskenbühne" wurde 1989 das erste Mal gezeigt, danach in vier verschiedenen Versionen. Die überaus erfolgreiche Produktion gelangte jetzt in einer Neufassung zur Aufführung, die auf Vermittlung des Landschafts-Verbandes Westfalen-Lippe und mit Unterstützung der nordrhein-westfälischen Stiftung zum Festival "Barock in Westfalen" entstanden ist. Das "Theater der Klänge" formierte sich vor acht Jahren als Kollektiv. In seinen eigenen Stücken möchte es Musik, Theater und Tanz gleichberechtigt nebeneinander stellen, wobei die trivialen Möglichkeiten dieser Konstellation - etwa Operette oder Musical – von vornherein ausgeschlossen werden. Den Gründern des "Theaters der Klänge", die selbst alle einen künstlerischen Beruf gelernt haben, geht es um die Idee des Theaters als Möglichkeit des Gesamtkunstwerkes. Die Aufführung auf dem Salzhof kam sehr gut an. Die Mitglieder des Esembles ernteten von den etwa 150 Zuschauern nicht nur viel Gelächter sondern auch großen Applaus.

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Lippische Landeszeitung
 
 
Grotesker Tanz der Maskes
Bad Salzuflen (LR). Zum Amphitheater umfunktioniert wurde Sonntag nachmittag der Salzhof: Das »Theater der Klänge« zeigte unter strahlend blauem Sommerhimmel und bei angenehmen Temperaturen das Schauspiel »Die barocke Maskenbühne«.Aus der Geschichte vom Tanzlehrer Gregorio Lambranzi entwickelt sich durch die Tanzeinlagen seiner widerspenstigen, tanzwütigen Frau mit verschiedenen grotesken, albernen oder anstößigen Maskenfiguren eine Farce, aber auch eine Collage über das barocke Theater. In loser Szenenfolge,nur verbunden durch Lambranzi und seine Moderation, wurden bis ins Absurde überzeichnete Geschichten über Liebe, Ehe, Kampf und nicht zuletzt über den Tanz und das Leben erzählt.
Zugrunde liegt diesen »Phantastischen Ideen aus tiefster Vergangenheit «, wie das Theater der Klänge seine schauspielerische Zeitreise nennt, »Die neue und curieuse theatralische Tanz-Schul« des italienischen Tanzmeisters Gregorio Lambranzi von 1716. Die seit ihrer Uraufführung 1989 bereits zum vierten Mal überarbeitete Produktion beeindruckte vor allem durch die wunderschönen, liebevoll gestalteten Kostüme und das Wechselspiel zwischen Musik, Tanz und Commedia dell 'Arte, der Ursprungsform des heutigen Theaters. Eine Mischung, die das Publikum auf und um den Salzhof in ihren Bann zog, zum Schmunzeln und Lachen, zum Lauschen und Staunen brachte. Auch wenn manche der Szenen zu grotesk schienen, um noch Zugang zum Zuschauer zu finden, tat das der Gesamtfreude keinen Abbruch. Gerade viele Zufallsgäste, die beim Schlendern durch die City über das Theater »gestolpert« waren, ließen sich nieder, um bei einem Eis oder kühlem Getränk unterhalten zu werden.
Leider taten sich zwei Schwachstellen des Theaterspaßes auf: Zum einen sprachen die Akteure zu leise, um bis zu den hinten sitzenden Zuschauern durchzudringen. Für zukünftige Salzhof-Inszenierungen sind hier dringendein paar Mikrofone zu empfehlen. Auch auf eine Pause sollte verzichtet werden. Vielen Theaterfreunden wurde die Wartezeit zu lang, sie schlenderten weiter. Für sie war es schade um das verpaßte Vergnügen.

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Arnd Schwarze
Lippische Rundschau
 
 
Auftakt nach Maß: Maskenbühne machte Appetit auf mehr
Das war ein Spielzeit-Auftakt nach Maß. Wenn das Publikum am Donnerstag abend das episodenhafte Spielgeschehen auf der Kulturhausbühne hätte benoten müssen, dann wäre die Entscheidung wohl einstimmig auf ein »Sehr gut« hinausgelaufen. Das Düsseldorfer »Theater der Klänge« wußte mit seinem bunten Treiben namens »Die barocke Maskenbühne« in jeder Beziehung zu überzeugen
Dabei verlief der Donnerstag für Kulturhausleiter Rudolf Sparing zunächst gar nicht so erfreulich. Eigentlich sollte die Kulturhaus-Spielzeit mit einem Open-air-Abend im Skulpturengarten des Museums eröffnet werden. Doch das Wetter hatte die Kooperation zwischen Museum und Kulturhaus zunichte gemacht. So mußte Sparing kurzfristig umdisponieren und das »Theater der Klänge« bitten, sein barockes Spiel mit Elementen der Commedia dell' arte auf die wetterunabhängige Kulturhaus-Bühne zu zaubern. Auch die für gestern vorgesehene zweite Freiluftvorstellung des Westfälischen Landestheaters wurde kurzfristig vom Museum ins Kulturhaus verlegt.
Doch Sparing gibt nicht auf: Er möchte die hervorragende Zusammenarbeit zwischen seinem Haus und dem Museum auch durch eine oder mehrere Theateraufführungen im Skulpturengarten unterstrichen wissen. Wenn es diesmal nicht geklappt hat, dann zu einem anderen Zeitpunkt: »Vielleicht gehen wir einmal mit einer Eigenproduktion in den Garten«, verriet Sparing. Aber dann wird im Juni oder Juli gespielt.
Auch wenn es am Donnerstag abend noch reizvoller gewesen wäre, das Spiel um Gregorio Lambranzi uns seine »curieuse Tantz-Schul« aus dem Jahr 1716 unter dem Sternenhimmel zu erleben – mit ihrem barocken Maskenspiel tanzten und schäkerten sich die Darsteller auch auf der Kulturhausbühne in die Herzen des Publikums.
Es war ein Theaterabend der ganz anderen Art – fesselnd von der ersten bis zur letzten Minute. Doch was gab es eigentlich zu sehen? Ein eigenwilliges Bühnenarrangement mit Neben- und Hinterbühnen, wundervolle, farbenprächtige Kostüme und Masken, ein wirres, ausgelassenes Treiben der Figuren der Com-media delI'arte, Tänze, die uralt, aber auf eine gewisse Weise zeitlos wirkten.
Vielleicht war es gerade dieses Element der Zeitlosigkeit, das die Zuschauer so tief in das Spiel hineingezogen hatte.»Die barocke Maskenbühne«mutete gleichzeitig uralt und zeitgenössisch an. Da wunderte sich eigentlich niemand als in dem bunten Sprachenmischmasch, in dem die Darsteller ihre Texte vortrugen, plötzlich der breiteste Kohlenpott-Slang auftauchte.
Bemerkenswert war auch die Bewegung:Nein, die Darsteller tanzten nicht einfach. Sie zelebrierten ihre Schritte und Sprünge. Pantomime,Sprache, Kostümierung und Musik flossen ineinander und ergaben ein Gesamtkunstwerk, etwas, das weder mit dem Wort Schauspiel noch mit Musiktheater ausreichend beschrieben ist. Eines steht fest: Das Gastspiel des »Theater der Klänge« machte Appetit auf mehr - hoffentlich taucht dieses Ensemble im nächsten Jahr wieder auf dem Spielplan des Kulturhauses auf.

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and
Lüdenscheider Nachrichten
 
 
Curieuses Spektakel
Unter dem Titel "Die barocke Maskenbühne" konnte man sich nichts Rechtes vorstellen und hätte eher an Historisch-Gelehrtes ,gedacht. Auch nach dem Lesen des recht steifen Programmtextes konnte man kaum ein so lebendiges und unterhaltsames Spektakel erwarten.
Aber - momento - bevor es losgehen konnte, waren beträchtliche Hindernisse zu überwinden. Signore Lambranzi muß die Wechselhaftigkeit des deutschen Wetters wohl noch besser einkalkulieren lernen. Aber auch Festspielleiter Helmut Hein, der ungern auf die liebevoll im Schloßhof aufgebaute Bühnendekoration verzichten wollte, sah mit heldenhaftem Optimismus den Himmel von Mannheim her heller werden. Schließlich mußte man doch in den Königssaal umziehen und ziemlich lange im Treppenhaus stehen und warten. Aber als Theaterdirektor Lambranzi endlich auf die Bühne trat, waren Unbequemlichkeiten und Verspätung schnell, vergessen.
Der historische Tanzmeister Gregorio Lambranzi ist Verfasser des Büchleins "Die neue und curieuse theatralische Tantz-Schul" das unter anderem Mauricio Kagel zum gleichnamigen Stück angeregt hat. In Lambranzis "Tantz-Schul" sind eine Fülle damals üblicher Theaterideen für die Wanderbühne festgehalten. Ballett, Pantomime, Sprache, Musik, Bühnentechnik und Kulissen werden in einer alle diese Sparten zusammenfassenden Theaterform genutzt. Diese Tradition gab es in Europa zuletzt im Barock, erst in jüngster Zeit wird im "Tanztheater" wieder ähnliches versucht.
Das" Theater der Klänge" hat nun auf der Grundlage der "Tantz-Schul" "Die barocke Maskenbühne" für die Heidelberger Schloßfestspiele neu erarbeitet. Lambranzi greift wie die meisten barocken fahrenden Theatergruppen auf die Commedia dell' arte zurück. Wie diese Art der Stegreifkomödie versucht "Die barocke Maskenbühne" das Publikum einzubeziehen, es gibt geprobte und wirkliche Improvisation. Figuren der Commedia delI' arte, Pantalone, Arlecchino oder Pulchinella sind auch hier die Hauptpersonen
Mit großer Geste werden Sie von Direktor Lambrzi angekündigt. Außerdem sollen verschiedene Tanzformen - Courante, Menuett, Bourree und Varianten davon - demonstriert werden. Signora Lambranzi (Deda Colonna, auch die tatsächliche Tanz-Choreographin ) begleitet die höfisch-steifenTänzemit köstlich lebensechtem italienischen Mienenspiel, mit erläuternden oder anpreisenden Gesten. Kerstin Hörner und Jacqueline Fischer tanzen in verschiedenen Rollen -als Ballerinas, Venezianer, Fischer und Fischerinnen, wunderbar phantasievoll kostümiert von Janina Mackowski. (Die Masken waren vom Regisseur Jörg U. Lensing, die Hüte von Nicole Roberts - besonders eindrucksvoll der mexikanische Riesenstrohhut der Zitrusfrüchte). Temperamentvoll groteske Volkstänze führen Kersten Müngersdorf als Pulchinella und Maria Lorrio als Frau Pulchinella auf (sie imponierte vor allem bei afrikanisch inspirierten wilden Rhythmen und Sprüngen). Zuvor hatten sie noch als zauberhaft schüchternes Liebespaar Mezzetin und Mezzetina gespielt. Fast alle Mitglieder des sehr internationalen und multilingualen Ensembles - Deutschland war schließlich zur Barockzeit tiefste Theaterprovinz – hatten Doppel- oder Tripelrollen. Den Vogel dabei schossen Clemente Fernandez und Heiko Seidel ab, die in ihren verschiedenen Rollen (Fernandez als Lambranzi, Pantalone und Bauer ; Seidel als Coviello und Sagatello), überhaupt nicht wiederzuerkennen waren. Axel Heinrich spielte Schlagzeug, war ein prächtiger Harlekino und verwickelte im Pausenspiel als Pulchi in breitem Kölsch das Publikum ins Gespräch.
Höhepunkte des Abends waren die pantomimischen Szenen mit der hübschen Colombine (Ismini Sofu), Pantalone und Coviello. Die drastisch-komischen Szenen des geilen Pantalone, sein Schnüffeln an Colombines Schleife, seinen zitternden Bart; Coviellos schlotternde Angst oder seine Szene mit Colombine das vergißt man so schnell nicht.
Ein besonderes Kabinettstückchen war auch Fernandez' Trunkenheitsstudie – wie sich der junge Bauer langsam mit Korn betrinkt, Zunge und Augen schwer werden, wie er blinzelt und allmählich in den Schlaf versinkt... dazu kann man nur sagen : perfetto!

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Carl von Meyer
Rhein Neckar Zeitung
 
 
Spaß, Tanz, Pracht
Als der Italiener Gregorio Lambranzani 1716 in Nürnberg seine "neue und curieuse, theatralische Tantz-Schul" verfaßte, wollte nicht nur seine Arbeit als Tanzmeister für ungelenke deutsche Adeldige mit einer umfassenden Schrittlehre für die modischen Tänze aus Europas.Süden untermauern, sondern er hatte darüber hinaus noch anderes im Sinn. Tanzmeister Lambranzani, der außerdem mit einer Wanderbühne durch die Lande zog, schrieb mit seiner "Tantz-Schul" erstmals ein Kompendium, das alle Sparten vom Tanz über die Musik bis zur Commedia dell'arte auf der Bühne vereinigte.
Auf der Suche nach unkonventionelen theatralischen Möglichkeiten hat sich nun das Düsseldorfer "Theater der Klänge" dieses barocken Schriftstücks angenommen. Das ausnahmslos jung besetzte Ensemble unter Jörg Lensing, das schon mit den mechanischen Figuren der Bauhausbühne alte Wege neu zu beschreiten wußte, sieht nach eigenem Bekunden in Lambranzani einen Vorläufer der Pina Bausch, der ideale Möglichkeiten für ein theatralisches Gesamtereignis bietet.
Eine Idee, die Anklang findet. Zur Premiere war der "Malkasten" restlos ausverkauft. Was die Leute vom "Theater der Klänge" auf Programm-Papier intensiv erörtern, erweist sich auf der Bühne als wahrer Augen- und Ohrenschmaus. Stilvoll bis ins Detail geht es zu auf der knallroten Wanderbühne, auf der zunächst Meister Lambranzani (Jörg Balschun) höchstselbst in prächtigem Brokat und mit Federhut erscheint, um Tänze "eigener Invention" zu erläutern.
Als Demonstrationsobjekt muß dabei die Gattin (Deda Colonna) herhalten; die aber, mit der ihr zugewiesenen Rolle alsbald unzufrieden, verläßt mit einem lautstarken Wortschwall die Bühne. Sekundenschnell wechselt das Bild zu einer reizenden venezianischen Pantomime. Dann plötzlich geht es wieder recht derb zu: Auf offener Szene geraten einander Dottore und Capitano in die Haare inclusive wüster Beschimpfungen zur Freude des Publikums. Als Verschnaufpause schließt sich wieder ein hübscher Tanz an. Und so geht es in einem bunten Feuerwerk weiter mit deftigen Späßen, stillen Pantomimen und lustigen Pannen, mit Harlekinen, Narren, Venezianern sowie weiteren komischen Figuren.
Dazu spielen die "musici" Eigenkompositionen, die man sich allerdings etwas gefälliger gewünscht hätte. Ohne eine zusammenhängende Geschichte wird man hier zwei Stunden lang nach bester Commedia dell'arte- Manier auf das vergnüglichste unterhalten. Lambranzanis barocke Ideen erweisen sich als sehr lebensfrisch - dank einer Truppe überaus talentierter Theaterleute vor allem Jörg Balschun) und einer üppigen Ausstattung, wie man sie in dieser Pracht bei einem freien Ensemble kaum erwartet hätte. (Weitere Spieltermine: 8.,9. April sowie 12.,13.und 14.April, jeweils 20.15 Uhr im "Malkasten")

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Christine Hamm
Rheinische Post
 
 
Attraktion in Heidelberg
Zuschauerandrang wie eh und je bei den Heidelberger Schloßfestspielen mit hervorragenden musikalischen Darbietungen wie Matineen, Duo-Abenden, Kammerkonzerten und zwei Symphoniekonzerten unter Professor, David Effrons und Nicolas Pasquets Stabführung.
Zwei Spielabende ragen heraus: Mozarts von Intendant Dr. Peter Stoltzenberg mit Geschmack und Eleganz kammerspielartig servierte komische Oper "Cosi fan tutte", die das Eastman Orchestra sensibel begleitet, und die "Barocke Maskenbühne" des "Theaters der Klänge".
Die "Barocke Maskenbühne" aus Düsseldorf zeigt über 20 Tanz-und Spielszenen, in denen Commedia dell'arte, Barock- und Rokokoformen, Jahrmarkt-Darbietungen, höfische Schreit-, spassige Bauern- und groteske Paartänze in bunter Reihenfolgewechseln; -verbunden durch eingestreute Ansagen "Prinzipal Lambranzis" und seiner resoluten Ehehälfte: ein köstliches Theatermacher-Paar, das mit angeborener Streitlust und südländischem Temperament seine alltäglichen Differenzen vor versammeltem Auditorium lautstark austrägt, sich mit zierlichen Komplimenten entschuldigt und lächelnd weiterspielen läßt, als sei nichts geschehen - bis zum nächsten Zusammenstoß. Beifall auf offener Szene!
Gespielt wird in Masken oder Halbmasken; vier Musiker sorgen mit Cembalo und Schlagzeug für die jeweils entsprechende Begleitung. Die Choreographie besorgte Deda Colonna (Madame Lambranzi) für die höfischen Piecen, Jörg Lensing, dem die Gesamtleitung obliegt, für die Bauern- und Grotesktänze. Eine höchst vergnügliche Angelegenheit!Wenn der Regisseur sich entschließen könnte, im ersten Teil einige unschöne Längen und allzu große Derbheiten zu eleminieren, dafür bei den höfischen Tänzen ein paar Akteure mehr auf die Bühne zu stellen (was die Wirkung erhöhte), könnte das nur von Gewinnt sein. Ein Ensemble, das-man gern mit seiner neuen Produktion, die im Werden ist, wiedersehen möchte!

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Britta Steiner-Rinneberg
Trierscher Volksfreund
 
 
Pralles und farbenfrohes barockes Maskentheater im Kulturhau
Wohlig warm und vor allem trocken im Theatersaal des Kulturhauses sitzend wohin die Veranstaltung kurzerhand verlegt worden war, erlebten die Zuschauer dennoch, auch ohne Gartenflair, einen überaus anregenden, ungewöhnlichen Theaterabend. Ließen sich gefangennehmen vom Witz, Charme und der mitreißenden Spielfreude eines Ensembles, das vor allem eines verstand: barockes Theater so prall und lebendig auf der Bühne erstehen zu lassen, wie es einst war, mit Musik, Tanz, Maskenspiel, kleinen Pannen, Improvisation und herrlichster Commedia dell'Arte Unterhaltung. Jede Menge Schminke, prachtvolle Kostüme und höfische Gebaren eingeschlossen.
Nach Ideen aus "Die neue und curieuse, theatralische Tantz-SchuI" von Gregorio Lambranzi aus dem Jahr 1716 machte das Theater der Klänge, Düsseldorf,mit der Neufassung seiner Szenenfolge "Die barocke Maskenbühne" zur Eröffnung der Kuturhaus-Spielzeit 95/96 Lust auf Theater. Außer dem Kulturhaus hatten die Museen der Stadt in Verbindung mit dem Verein der Freunde italienischer Kultur zu dieser Veranstaltung eingeladen, die dem Zyklus"Barock in Westfalen", den der Landschaftsverband Westfalen-Lippe in diesem Jahr durchführt, angehört.
Köstlich, was die Zuschauer am Donnerstagabend vor dem knallroten Vorhang, hinter dem die Akteure sich schminkten und in ihre phantasievollen, farbenfrohen und manchmal auch grotesken Kostüme schlüpften, zu sehen bekamen. Selbst Gregorio Lambranzi (Francesco Russo) in schönster Barock-Manier sichtlich um die Gunst des Publikums bemüht, hatte seine wahre Not, seine imaginäre Truppe "bei Stange" zu halten. Introduction in italienischer Sprache: "No capito?" Na, dann eben die Mundwinkel heruntergezogen, vornehm höfisches Gebaren angenommen und, so gut es mit einer dominanten Ehefrau und immer wieder aus der Reihe tanzenden Akteuren eben ging, in schönstem Akzent durch das Programm geführt.
Toll, wie die Darsteller vom Theater der Klänge, die die Wandertruppe Lambranzis und mit ihr barockes Theater allgemein so ungemein lebendig auf der Bühne erstehen ließen, dabei den Nerv der Zeit trafen. Die bekannten Commedia dell' Arte Figuren – Columbine, Pantalone, Capitano, Harlekino - mit ihren unverwechselbaren Merkmalen, ihrem derben Witz und ihren Obszönitäten, höfische Gestelltheit neben Albernheit und Plumpheit, sichtbare Freude am Tanz und an der Bewegung, "barockes" Spiel mit Pauken, Woodblocks, Marimbaphon, Cembalo und Percussionsinstrumenten ließen die gute zwei Stunden "Maskenbühne" wie im Flug vergehen. Spielszenen wechselten mit Tanzszenen - Pavana di Venezia, Saltarello, Courante, Gaillarde, Menuett, Sarabande -, Maskenspiel machte herrlichem Mienenspiel Platz. Kostüme, Körpersprache und Ausdrucksweise so aussagekräftig, daß das gesprochene Wort, so lustig viele frei erfundene lateinische Wortschöpfungen auch waren, weitgehend in den Hintergrund trat. Wenn es bei dieser Truppe überhaupt jemanden hervorzuheben gilt, dann Maria-Jesus Lorrio (u. a. als Pulchinella) und elemente Fernandez (u. a. als Pantalone), aus denen die Freude am Spiel nur so heraussprudelte.

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MS
WR
 
 
Die Lust an der Kleidschleife
Ein Schwelgen in Kostümen macht noch keinen Sommer im Theater. Dem ambitionierten "Theater der Klänge" im intellektuellen Gewand eilt am tristen Himmel der freien Szene ein fast kometenhafter Ruf voraus. Der korrigiert sich, je mehr zu sehen ist. Nun servierte das fleißige, mit geistreichen Intentionen um sich werfende Ensemble unter der Regie von Jörg U. Lensing im Theaterhaus seine Neufassung der "Barocken Maskenbühne" nach Ideen von Gregorio Lambranzi: eine spannungslose Mischung aus Ballett, Pantomime, Sprache, Musik und Tanz, die sich als wiedereroberte, auf Richard Wagner bezogene Utopie eines "Gesamtkunstwerks" verkauft.
Doch dem fehlt der Glanz, der überzeugt, und die Perfektion, die nötig ist, um sich vom Drittklassigen abzusetzen. Daran ändert auch der temperamentvolle Klang italienischer Sätze nichts, die nur wie Effekte klingen. Stimmig bis ins Detail der Ausführung ist einzig und allein der äußere Rahmen einer inszenierten Ästhetik: die Schönheit gemalter Kulissen (Stefan Borstei) und der Prunk barocker Kostüme (Janina Mackowski) mit Masken der Commedia dell'arte. So dienen die sonnige Atmosphäre venezianischer Plätze oder die Idylle einer grünen Parklandschaft mit See als bemerkenswerter Hintergrund laufender Ereignisse.
Ansonsten feiert die Übertreibung im Vorspiel der Mimen ihren Sieg, das sich, da zu wenig dosiert, bald an Wirkung verliert. Oft zu dick aufgetrumpft, zu lärmend angelegt, mangelt es an subtiler Rollenführung. Akzente gibt es, wo zwischenmenschliche Beziehungen beleuchtet werden. Sie bilden eine Abfolge, von Ansagen und von der Vorführung eines Menuetts oder einer Gaillarde begleitet. Doch die höfischen und anderen Tänze, wie eine Einführung in das choreographische Vokabular einer verlorenen Zeit daherkommend, bescheiden sich in ihrer Präsentation und Präzision. Auch wenn ein paar nette Einfälle zu verbuchen sind, an denen sich das Auge eine Zeitlang weiden mag, läuft auch hier die Zusehlust nur auf halber Kraft.
Das Beschnuppern einer roten Kleidschleife versetzt einen Mann in den Taumel gieriger Entzückung. Er betastet das obskure Objekt seiner Begierde, bis sich die Belästigte wehrt und den Lüstling zu Fall bringt. Der kauert wie ein Käfer am Boden, am Ende seiner Kraft, die wieder in den Körper springt, wenn der Duft des Fetischs ihm in die Nase steigt. Am Geruch richtet er sich wieder auf.
Im Rück- soll ein Vorblick liegen, der sich gegen das tradierte Verständnis heutigen Theaters wendet, weil der klassischen Separierung ausdifferenzierter Sparten widersprochen wird. Ein schöne Intention, doch nicht umgesetzt. Der Chronist witterte in der Pause seine Chance und suchte das Weite.

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Heinz-Norbert Jocks
WZ
 
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