Die Kunst der Tanz-Fuge
 
Thomaskirche wird zum Tanzsaal
Zwei Frauen und zwei Männer drehen sich um die eigene Achse, laufen, federn oder vollziehen kleine Sprünge oder Drehungen. Zunächst ohne Musik, dann zu elektronischen Schlägen und Geräuschen. Zu Rhythmen, in die sich ab und zu 0rgel-Akkorde mischen, tanzen die vier eine Schrittfolge , die sie in knapp 70 Minuten immer wieder verändern. Schnell wird in der Thomaskirche in Mörsenbroich klar : Bei der neuen Produktion des Theaters der Klänge geht es um Thema und Variationen.
Getanzt im Altarraum, unter dem Kreuz,von Phaedra Pimisi, Camila Scholtlbach, Tim Cecatka und Tuan Ly. Ein Quartett das sich zwar den strengen Rhythmus-Vorgaben von Bachs "Kunst der Fuge" unterordnet, dabei aber ein ästhetisches Erlebnis beschert. "Kunst der Tanz-Fuge" nennen Jörg Lensing und Choreographin Jaqueline Fischer daher das Opus, an den sie wohl lange gearbeitet hat.
Das Ergebnis: Ein Tanzkonzert mit dem Bach-Zyklus von l4 Fugen und vier Kanons. Darin werden maximal vier Stimmen eingesetzt. So tanzen entweder alle vier zusammen, als Solisten, im Duett oder Terzett. Mal in weißen, dann schwarz-weißen, am Ende in komplett schwarzer Trikots. Vermutlich eine Anspielung auf die Tastatur der Instrumente - Klavier oder Orgel, die bis heute mit diesem Komplexen Opus von Bach in Verbindung stehen. In diesem Fall sitzt Wolfgang Baumgratz an der Orgel. Ein versierter Organist, der diesem anspruchsvollen Werk des Thomaskantor mehr als nur gewachsen ist, es mit Perfektion und Vitalität zu intonieren versteht. Kein Zufakll. Denn diese außergewöhnliche Performance im Sakralraum bildet den krönenden Abschluß des internationalen Orgelfestival "ido".
Vor der mit Lichtern geschmücktem Wand ( hinter dem Altar) sind sie permanent in Bewegung, drehen und kreisen, landen auf dem Boden, heben nur selten ab zu Hebefiguren. Sie beginnen – wie in der Musik- als eigenständige Stimmen, die sich nur langsam annähern und berühren. Sie gleiten mühelos
oder schwingen von einem zum anderen. Fließende Bewegungen und sanfte, meist nur angedeutete Sprünge und Armkreise dominieren, Ecken und Kanten sieht man nur selten. Die vier erinner ein bisschen Eurythmie-Tänzer. Denn auch in der anthroposophischen Tanzkunst geht es um Ebenmaß ,Gleichförmigkeit Harmonie. So wirken die Variationen nach einer gewissen Zeit gleichförmig, beinah monoton. Mann muss schon genau hinschauen , um die kleinen Veränderungen der Körpersprache zu erkennen. Für Abwechslung sorgt der Aufbau: Die vier beginne ohne Musik , bieten Tanz pur. Dann tanzen sie zu elektronischen Rhythmus-Geräuschen, die sich langsam steigern. Im dritten Teil vereinen sie sich mit Orgelklang, machen die vier Stimmen sichtbar. Im Finale schwingen die Tänzer : Jetzt hat die Orgel das Wort, allein, Bach pur.
Fazit: Eine Performance, mit der das Theater der Klänge in seinem 30. Jahr neue Wege geht. Und sicherlich ein Publikum finden wird - unter Tanz-Fans und Freunden meditativer Orgelmusik.

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Max Kirchner
Westdeutsche Zeitung - Düsseldorfer Nachrichten
 
 
Theater der Klänge tanzt Bachs "Kunst der Fuge"
Erst scheinen sie zu schweben, die vier Tänzer ganz in Weiß, so leicht bewegen sie sich durch den Raum - jeder für sich. Doch im nächsten Augenblick winden sie sich umeinander, werden zu einer Figur. Vier Stimmen sind zu einer geworden.

Das Theater der Klänge beschäftigt sich in seiner neuen Arbeit mit einem der bedeutendsten Werke barocker Mehrstimmigkeit, mit Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge". "Bei unserer Kreation geht es darum, die Musik sichtbar zu machen", sagt Regisseur Jörg Lensing. Zusammen mit Choreografin Jacqueline Fischer hat er nach Bildern gesucht, um die barocke Klangwelt in die Gegenwart zu übertragen. Durch ihre Körper führen die Tänzer die voluminös wirkende Musik nun in den
dreidimensionalen Raum. Die vier Tänzer zeigen sowohl Soli als auch Ensemble-Passagen. Ihre Interpretation beginnt mit Tanz pur, die Musik schweigt, das einzige Geräusch ist der Atem der Tänzer. Der zweite Teil beginnt mit elektronischer Musik von Jörg Lensing, in die Orgelmusik von Bach eingestreut wird, danach übernimmt die Orgel. Bei den Proben erklingt sie noch aus den Lautsprechern, bei der Premiere wird sie dann live in der evangelischen Thomaskirche in Mörsenbroich, Eugen-Richter-Straße 12, gespielt.
Das Tanztheaterstück wird beim Internationalen Düsseldorfer Orgelfestival präsentiert. Vom 2. bis 5. November findet jeden Abend um 19.30 Uhr eine Aufführung statt. Am Ende ist dann ausschließlich Musik zu hören, der Tanz überlässt dem Klang die Bühne. An ihrer Interpretation haben die Tänzer und das Regie-Choreografie-Team insgesamt rund zehn Wochen gearbeitet - vollzeit. Dazu kommt die monatelange Planung und Vorbereitung.

Das Stück ist international besetzt: Griechenland, Vietnam und Chile gehören zu den Herkunftsländern der Tänzer. "Bachs Musik ist ein Modell für Integration: Er nutzte die Mehrstimmigkeit für Verständigung", sagt Lensing.

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Merlin Bartel
Rheinische Post
 
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